Im Zweifel für den Krieg

Die erklärten Gegner der „Tornado“-Mission bilden eine skurrile Allianz. Sie reicht von Linkspartei bis CSU. Aber weit mehr Abgeordnete plagen Bedenken

Grüne und die FDP wollen sich noch nicht auf ein klares Ja oder Nein festlegen

AUS BERLIN KATHARINA KOUFEN

Der FDP-Fraktionsvize und außenpolitische Sprecher Werner Hoyer brachte die Stimmung, die gestern im Bundestag herrschte, auf den Punkt: „Es ist uns so unwohl, das spüre ich bei allen Fraktionen“, eröffnete er seine Rede zum geplanten Einsatz von „Tornados“ in Afghanistan. Freitag nächster Woche soll die Abstimmung über die Entsendung stattfinden. Gestern brachte die Regierung ihren Antrag ins Parlament ein.

Der Grund für das Unwohlsein: Die Parlamentarier stecken in einem Dilemma. Sowohl für als auch gegen den „Tornado“-Einsatz sprechen gute Gründe. Zudem hat keiner ein Patentrezept parat, wie die Nato ihre Afghanistan-Mission erfolgreich zu Ende führen kann – falls ihr das überhaupt noch gelingen wird.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier, SPD, warb für ein Ja. Er erinnerte an den Herbst 2001, als der Bundestag dem Afghanistaneinsatz beschloss. „Die Erinnerungen an den 11. September verblassen langsam“, rief Steinmeier. Doch damals hätten „alle Fraktionen“ genau gewusst: Die Nato-Verbündeten würden einen „langen Atem für ihren Kampf gegen den Terror“ brauchen. Steinmeier ermunterte die Abgeordneten: „Wir haben viel erreicht, Straßen gebaut, Brunnen gebohrt.“ Das dürfe man nicht einfach aufgeben. Vor allem im Süden des Landes habe sich die Lage verschärft. Während die Bundeswehr im relativ ruhigen Norden stationiert sei, befänden sich Briten, Kanadier, Niederländer und Dänen in einem Einsatz, der schon viele das Leben gekostet hat.

Die Befürchtung vieler Abgeordneter, dass mit der Zusage, sechs „Tornados“ auch in den Süden des Landes zu schicken, der Weg in den bewaffneten Kampf geebnet werde, teilt Steinmeier „ausdrücklich nicht“. Und auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) betonte gestern, mit der Entsendung der „Tornados“ habe Deutschland seine Pflicht getan. Weitere Nato-Anforderungen werde es nicht geben.

Bisher sieht das Mandat für den Afghanistan-Einsatz vor, dass die Bundeswehr als Teil der Schutztruppe Isaf im Norden den zivilen Wiederaufbau vorantreibt. Lediglich in Ausnahmefällen dürfen deutsche Soldaten auch im Süden eingesetzt werden. Nato-Mitglieder, allen voran die USA, drängten die Bundesregierung in den vergangen Monaten immer wieder, sich auch an den Kämpfen im Süden zu beteiligen. „Eure Leute trinken im Norden Bier, unsere sterben bei den Kämpfen gegen die Taliban“, so die Quintessenz des Vorwurfs.

Paul Schäfer von der Linksfraktion dagegen warb – allein auf weiter Flur – für ein klares Nein: Die Frage sei doch: „Verstrickt sich die Bundesregierung in eine Kampfhandlung, oder denkt sie über eine Rückzugsstrategie nach?“ Alle wüssten genau, dass die Aufklärungsbilder der „Tornados“ „nicht fürs Familienalbum“ gedacht seien, „sondern zum Aufspüren militärischer Ziele“. Im Übrigen ersetzten die deutschen „Tornados“ britische Flugzeuge, die damit direkt für Kampfeinsätze frei würden. So werde an der Gewaltspirale gedreht und die Sicherheit Deutschlands „am Hindukusch überhaupt erst gefährdet“. Schäfer, dessen Fraktion wie meist im Bundestag gestern kein einziges Mal Beifall aus anderen Reihen erhielt, suchte die Nähe ausgerechnet zu den Unions-Politikern Peter Gauweiler und Willy Wimmer: Die deutsche Beteiligung komme „einem Kampfeinsatz gleich, der nicht vom Völkerrecht gedeckt ist“. Gauweiler und Wimmer verlangen vom Bundestagspräsidenten, den „Tornado“-Antrag erst gar nicht zuzulassen. Wimmer hatte kürzlich im taz-Interview kritisiert, mit dem Nato-Einsatz würden „die Gegner von morgen gezüchtet“.

Die Grünen und die FDP wollten sich gestern noch nicht auf ein klares Ja oder Nein festlegen und brachten ihre Bedenken vor. Grünenfraktionschef Fritz Kuhn verlangte von der Regierung ein „überzeugendes Konzept bei der Drogenbekämpfung“, mehr Mittel für die Ausbildung der Polizei im Norden Afghanistan und überhaupt: mehr Geld und mehr Engagement für den zivilen Aufbau. Zwar habe Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul gerade erst weitere 20 Millionen Euro für Afghanistan bewilligt, neben den bereits verplanten 80 Millionen. „Aber das reicht noch nicht!“, rief Kuhn; die Kanadier hätten ihr Budget soeben um 200 Millionen Euro aufgestockt, gar nicht zu reden von den USA. Auch auf die Pakistan-Frage kam Kuhn zu sprechen: Wie wolle Berlin dem Land helfen, aus seiner Zwitterrolle herauszukommen: offiziell den Terrorismus zu bekämpfen, ihn unter der Hand aber zu unterstützen?

In der Tat befürchten Experten, dass ein Rückzug oder Scheitern der Nato auch für Pakistan fatale Folgen haben könnte. Wenn die Taliban die Macht wieder an sich reißen und sich mit pakistanischen Islamisten verbünden würden, könnten die Tage von Präsident Pervez Musharraf in Islamabad gezählt sein. Für die weltweite Sicherheitslage würde das wohl nichts Gutes bedeuten, ist doch das hochgerüstete Pakistan auch im Besitz der Atombombe.

Trotz des Unwohlseins in Berlin: Die Zustimmung zur „Tornado“-Entsendung gilt als sicher, schon wegen der überwältigenden Mehrheit der großen Koalition. Bisher ist nur von der Linksfraktion bekannt, dass sie dagegen stimmen wird. Bei den Grünen votierten in einer internen Abstimmung 20 Abgeordnete dagegen, 19 dafür, vier enthielten sich. Der verteidigungspolitische Experte der Grünen, Winfried Nachtwei, sprach eine „konditionierte Empfehlung zur Ablehnung“ aus.