„Es geht nicht um Kapitalismuskritik“

Der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) begründet, warum Christian Klar nach seinem umstrittenen Grußwort bis auf weiteres keine Vollzugslockerungen bekommt. Jetzt soll ein neues Gutachten zu Klar erstellt werden

INTERVIEW CHRISTIAN RATH

taz: Herr Goll, Sie haben die Vorbereitung von Vollzugslockerungen für Christian Klar gestoppt und ein neues Gutachten in Auftrag gegeben. Warum?

Ulrich Goll: Herr Klar hat sich in seinem Grußwort für die Rosa-Luxemburg-Konferenz in einer Weise geäußert, die so klingt, als lebe er noch in der gleichen Gedankenwelt wie vor 30 Jahren. Da muss ich doch hellhörig werden und prüfen, ob er wieder zu den gleichen terroristischen Mitteln wie früher greifen könnte.

Es gibt schon ein Gutachten des Freiburger Kriminologen Helmut Kury zu dieser Frage…

Ja, das Gutachten ist einigermaßen positiv ausgefallen. Da heißt es sinngemäß, Klar sei zwar noch ziemlich verhaftet in der alten RAF-Geschichte, aber auf dem Weg, sich zu lösen. Er hat sein Verhalten in der Anstalt geändert und wird sich über kurz oder lang bei den Opfern der RAF entschuldigen. Aber dann kommt dieses Grußwort, und da drängt sich die Frage auf: Wenn er noch die alten Ziele hat, was ist mit dem Rest?

Von den entlassenen RAF-Angehörigen ist keiner in den Terrorismus zurückgekehrt …

Wenn Christian Klar sagt, er wolle „die Niederlage der Pläne des Kapitals vollenden“, ist vorstellbar, dass er dabei auch wieder zu Mitteln jenseits unserer Rechtsordnung greifen könnte.

Warum? Weil er immer noch den Kapitalismus ablehnt?

Um Kapitalismuskritik geht es überhaupt nicht. Ich war in meiner Sturm-und-Drang-Zeit bei den Jusos und habe auch den Kapitalismus kritisiert. Und wie! Das ist nicht strafbar. Bei Klar hat sich aber nichts geändert, er hat immer noch die gleiche Terminologie, die gleichen Verschwörungstheorien wie vor 30 Jahren. Und wenn einer damals dafür Menschen umgebracht hat, dann wird jeder vernünftige Mensch heute fragen: Tut er das vielleicht wieder?

Könnte der Text nicht auch von Oskar Lafontaine stammen? Ist der auch potenzieller Terrorist?

Natürlich nicht. Ich kenne von Lafontaine kein so krauses Zeug. Außerdem darf man nie vergessen: Christian Klar hat eine ganze Reihe von Menschenleben auf dem Gewissen. Wer einmal die Grenze überschritten hat, einen Menschen zu töten, bei dem sehe ich immer eine höhere Gefahr als bei anderen.

Klar bezieht sich jetzt auf die Wahlerfolge der Linken in Lateinamerika und sieht darin ein Hoffnungssignal für die Linke. Da geht es doch um parlamentarische Demokratie, nicht um bewaffneten Kampf …

Aber er hat immer noch dieses Zerrbild des vernichtenden zermalmenden Staates. So schlecht ist unser System nicht. Und wenn er es so empfindet, warum stellt er dann einen Gnadenantrag beim Bundespräsidenten?

Spielen Sie jetzt Bundespräsident? In Baden-Württemberg geht es doch nicht um Gnadenwürdigkeit.

Natürlich. Das Gnadenverfahren geht mich nichts an. Das war nur eine Randbemerkung. Mir geht es tatsächlich nur um die Sicherheit der Bevölkerung, falls Klar Haftlockerungen erhält und 2009 auf Bewährung entlassen wird. Und da kann es für Christian Klar keine Extrawurst geben.

Wie meinen Sie das?

Ich will es an einem Beispiel zeigen: Ein Sexualstraftäter, der Kinder sexuell missbraucht und getötet hat, soll entlassen werden. Kurz vor der Entlassung wird bekannt, dass er in einer Zeitschrift über erotische Fantasien mit Kindern schreibt. Das mag zwar nicht strafbar sein, aber da läuten doch alle Alarmglocken, da muss ich doch noch mal ganz genau hinsehen.

Hat Christian Klar noch eine Chance auf Vollzugslockerungen?

Ich bin da nicht negativ festgelegt. Ich warte das neue Gutachten ab, das wird eine kleine Verzögerung bringen. Aber der neue Gutachter kann auf der Arbeit von Helmut Kury aufbauen. Er muss im Wesentlichen nur noch klären, ob die jüngsten Äußerungen Klars im Gegensatz zu den Schlussfolgerungen des Kury-Gutachtens stehen.