Grüne beenden Atombeziehung

Brasilien will sieben neue AKWs bauen – und vergrätzt die grüne Bundestagsfraktion

PORTO ALEGRE taz ■ Als im November 2004 das deutsch-brasilianische Atomabkommen aus dem Jahr 1975 gekündigt wurde, feierten Umweltaktivisten beiderseits des Atlantiks. Bis dato hatte vor allem der Siemens-Konzern von dem Atomvertrag profitiert. Nun sollte dieser ersetzt werden, durch einen Vertrag über die Förderung von Ökoenergien. Nur: Daraus wurde nichts. Denn dann gab es 2005 überraschend Neuwahlen in Deutschland. Doch jetzt machen die Grünen einen neuen Vorstoß.

Die Grünen brachten gestern im Bundestag einen Antrag ein, wonach Atomanlagen in Brasilien künftig nicht mehr von Staats wegen gefördert oder über Hermes-Kredite abgesichert werden sollen. Der brasilianischen Regierung gefällt das grüne Ansinnen nicht. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wollte die atomare Option noch nie ausschließen.

Erst letztes Jahr nahm die Urananreicherungsanlage in Resende bei Rio ihren Betrieb auf. Ansonsten sind bislang zwei Meiler in Brasilien in Betrieb, und zwar in Angra dos Reis, einem Badeort südlich von Rio de Janeiro. Volkswirtschaftlich sind diese AKWs zwar ein Desaster: Die dort produzierten Kilowattstunden sind die mit Abstand teuersten im ganzen Land. Brasiliens Atomlobby drängt aber trotzdem auf den Bau neuer Kraftwerke. Im Anhang des kürzlich von der Regierung präsentierten „Wachstumsbeschleunigungsplans“ sind gleich sieben geplante Atomkraftwerke gelistet. Genehmigt sind sie indes noch nicht.

Die endgültige Entscheidung stehe noch aus, sagt Präsidialamtsministerin Dilma Rousseff. Auf die heikelste Frage hat Präsident Lula nämlich noch keine Antwort gefunden: Soll das Siemens-AKW Angra 3 fertiggestellt werden? Die Bauteile lagern dort seit Anfang der 80er-Jahre. Aber die Regierung hat noch keinen Startschuss gegeben, den Reaktor auch aufzubauen.

Die französische Firma Areva, in die Siemens zwischenzeitlich seinen Nuklearbereich ausgelagert hat, steht für die Montage aber längst bereit. Zusammen mit der französischen Außenhandelministerin besuchte Areva-Chefin Anne Lauvergeon vor Wochen die Atomanlage in Angra. In der Regierung Lula stemmt sich vor allem die Umweltministerin Marina Silva gegen das Projekt. Die Endlagerung des Atommülls sei nicht geklärt, wendet sie immer wieder ein.

Die Grünen in Deutschland fürchten, dass Firmen bei der Bundesregierung eine Hermes-Bürgschaft für die Fertigstellung von Angra 3 beantragen könnten. Dem wollen sie mit ihrem Antrag im Bundestag für den neuen deutsch-brasilianischen Energievertrag vorbeugen.Thilo Hoppe, der den Vorstoß initiiert hat, sagte der taz: „Es ist die Aktualisierung eines Antrags, den wir schon einmal zusammen mit SPD-Kollegen vorbereitet hatten. Ich bin gespannt, wie die sich jetzt verhalten.“

Nächste Woche fährt erst einmal Bundespräsident Horst Köhler nach Brasilien. Die Umweltorganisation Urgewald rief ihn auf, sich, „für den Ausbau der erneuerbaren Energien“ einzusetzen. Was er daraus macht, ist offen.GERHARD DILGER