Terror? Al-Qaida? Kennen wir alles längst

Algerien ist nach einem zehnjährigen Bürgerkrieg mit Islamisten, der 200.000 Tote forderte, von Bombenanschlägen heute nicht aus der Ruhe zu bringen. Die Hauptstadt boomt, die Spuren der blutigen Anschläge vom 11. April sind fast restlos beseitigt

AUS ALGIER REINER WANDLER

Für einen Algerier ist der Begriff „al-Qaida“ fast schon eine Beruhigung. „So etwas kann überall passieren, in den USA, Madrid, London“, winkt Fatah ab, als er auf die blutigen Anschläge vom 11. April in der algerischen Hauptstadt angesprochen wird. Angst vor einer erneuten Gewaltwelle hat der 52-jährige Berufsschuldirektor nicht. „Das hat nichts mit dem zu tun, was wir in den 90erJahren durchlebten“, findet er. Nichts lässt ahnen, was er und seine Nachbarn hier draußen in Bab Ezzouar, gleich neben dem Polizeirevier, vor einem Monat durchlebt haben.

Alle Fenster flogen ein, die Rollläden der Geschäfte und selbst Stahltüren wurden von der Druckwelle aus den Angeln gerissen. Ein Polizeigebäude wurde bis auf die Stahlstruktur völlig zerstört, als am 11. April um 10.40 Uhr zwei Autobomben mit je 500 bis 700 Kilogramm Sprengstoff im Abstand von wenigen Sekunden explodierten. Kurz zuvor, um 10 Uhr, war ein erstes Fahrzeug in der Innenstadt explodiert. Insgesamt kamen an jenem Tag 33 Menschen ums Leben. Über 200 wurden teils schwer verletzt.

„Der Terror der 90er wird dennoch nicht wiederkommen“, wiederholt Fatah. Damals versank Algerien nach dem vom Militär erzwungenen Abbruch der ersten freien Wahlen, bei denen die Islamisten gewonnen hatten, in einem Bürgerkrieg, der 200.000 Menschen das Leben kosten sollte. Jetzt vertraut Fatah darauf, dass die Aussöhnungspolitik von Präsident Abdelaziz Bouteflika, die nach acht Jahren Krieg wieder Ruhe ins Land gebracht hat, weitergeht. „Vieles hat sich in den letzten Jahren verändert“, erklärt der Schulleiter. Der wirtschaftliche Aufschwung dank der steigenden Einnahmen aus dem Erdöl- und Erdgasgeschäft habe die soziale Lage entspannt.

Überall in Algier wird gebaut, die Wirtschaft boomt. Eine Baustelle ist auch die Siedlung, die sich Fatah und die Seinen seit einem Jahr mit 135 weiteren Familien teilen. „Zivile Eintracht“ heißt der neue Stadtteil, an der Einfallstraße vom Flughafen in die Stadt. „Präsident Bouteflika höchstpersönlich weihte die Wohnblocks ein und gab unserer Siedlung den Namen“, sagt Fatah stolz. In den Gartenanlagen zwischen den Häusern wachsen überall Blumen und Hecken. „Die haben wir Anwohner selbst angepflanzt.“

Aufbauarbeiten in Algerien gehen schnell. Sogar das am 11. April zerstörte Polizeigebäude steht schon wieder, als Rohbau. Auch im Stadtzentrum von Algier rund um den Sitz des Ministerpräsidenten, wo die Anschlagsserie mit einer ersten Autobombe begann, ist nichts vom Terror zu spüren. Die Straßen sind belebt, die Geschäfte voll. Überall laden Geschäfte und erste internationale Handelsketten zum Konsum. An den Taxiständen bilden sich lange Schlangen. „Alles wackelte. Einer meiner Kunden wurde mehrere Meter durch die Luft geschleudert“, erinnert sich der 54-jährige Omar in seinem Zeitungskiosk, keine hundert Meter vom Sitz des Ministerpräsidenten entfernt, vor dem damals über 500 Kilo Sprengstoff explodierten.

Zwar ist die Straße noch für den Verkehr gesperrt. Doch auch hier haben die Arbeiter das Wunder vollbracht, die Spuren der Bombe fast vollständig zu beseitigen. Das Amtsgebäude bekommt gerade den letzten Anstrich. In nur vier Wochen wurde die gesamte Fassade eines Seitenflügels neu errichtet. Bis zu den Parlamentswahlen am 17. Mai wird von den Anschlägen in Algier nichts mehr zu sehen sein.