„Wie in Trance“

Edmund Becker, Trainer des Karlsruher SC, über Vorbilder, Selbstbewusstsein und seine Zukunft in der ersten Liga

Edmund, gen. Ede, Becker war von 1990 bis 2005 Amateur- und Assistenztrainer beim Karlsruher SC. Am 13. Januar 2005 übernahm Becker den Profikader. Als Spieler war er 94 Mal für den KSC in der Bundesliga aktiv.

taz: Herr Becker, wie fühlt es sich an, in die Bundesliga aufzusteigen?

Edmund Becker: Erst während zwei Tagen Radtour mit meiner Frau am Tegernsee habe ich begriffen, wir haben etwas Besonderes erreicht. Das meiste davor fand für mich wie in Trance statt. Meine Frau hat mir später davon erzählt. Jetzt geht es darum, sich ordentlich aus der Liga zu verabschieden.

Sie sind nicht als Entertainer bekannt, müssen jetzt aber fast jeden Tag Interviews geben.

Ich werde das keine zehn Jahre lang machen, das steht heute fest. Das alles verändert dich oder es besteht zumindest die Gefahr. Ich sehe mich als Teamplayer. Solo-Trainer, die im Alleingang alles entscheiden, kann es nicht mehr geben, dazu steht zu viel auf dem Spiel. Für mich spielen auch meine Assistenten Peter Gadinger und Ralf Becker eine große Rolle.

Ist Thomas Schaaf aus Bremen mit seiner ruhigen Art Ihr Vorbild?

Der Verein hat Vorbildfunktion. Da hörst du nichts aus dem Präsidium. Auch in negativen Phasen wird unaufgeregt analysiert, Bremen kommt ohne großes Theater aus. Zudem wird der Fußball verwissenschaftlicht, jeder Spieler wird bis in die kleinste Zelle zerlegt. Das Wichtigste aber bleibt, eine Mannschaft mit Qualität und Leidenschaft zu haben. Vieles, was in Bremen getan wird, läuft auf einer sachlichen Ebene ab, dafür steht vor allem Thomas Schaaf.

Sie gelten als bodenständiger Typ, könnten Sie sich überhaupt einmal vorstellen, Ihr privates Umfeld in Reichenbach und den KSC zu verlassen?

Ich habe mir einmal nicht vorstellen können, überhaupt Profitrainer zu werden. Jetzt bin ich es in der ersten Liga. Was ist schon ausgeschlossen?

Es gibt das Sprichwort, beim Essen kommt der Appetit. War das bei Ihnen so?

Ich muss das Gefühl haben, hier gibt es eine Idee, die konsequent verfolgt wird. Aber ich habe auch gesehen, Mensch, da kannst du mithalten, da brauchst du dich nicht zu verstecken. Überall wird mit Wasser gekocht und es geht um ehrliche Arbeit. Zu dem Punkt musste ich mich erst hinarbeiten.

Sie gelten als zurückhaltender Mensch, heute können Sie offen über Ihr neues Selbstvertrauen sprechen.

Das hat sich in der Tat geändert. Vielleicht lag es auch daran, dass ich die Einblicke nicht so hatte. Als Assistent zu arbeiten ist etwas völlig anderes, als Cheftrainer zu sein. Auch die Öffentlichkeitsarbeit war für mich eine Unbekannte. Es gab die Frage: Wie schaffe ich das?

Sie werden nicht Goethe oder Schopenhauer zitieren und sich mit Büchern fotografieren lassen?

Wenn ich lese, will ich meine Ruhe. Man sollte sich selbst nicht zu wichtig nehmen. Das gilt auch für den Fußball. Das ist ein Spiel, und es gewinnt der, der den größeren Siegeswillen hat.

Neulich haben Sie gesagt, Sie seien schon zu „sechzig Prozent“ entlassen. Wie dürfen wir das verstehen?

Ganz einfach, die Statistik sieht so aus. Trotzdem freue ich mich darauf, was im August kommt.

Der Etat für die Bundesliga ist mit 13 Millionen Euro sehr bescheiden – die Rolle des KSC scheint vorprogrammiert?

Es geht bei uns nur über die Gruppe. Wenn man Cottbus als Vorbild nimmt, die sich mit zwei, drei Spielern verstärkt haben und ansonsten durch Teamgeist und Leidenschaft auffielen, dann haben wir eine Chance. Ein geringerer Etat bedeutet nicht zwangsläufig den Abstieg.

Sie rechnen sich mit dem vorhandenen Kader eine Chance aus?

Ich habe einfach meine Bedenken, wenn die Spieler, die den Aufstieg souverän geschafft haben, plötzlich nicht mehr gut genug sein sollen. Es wäre das falsche Signal. Es wird aber auch bei uns nicht ohne harte Entscheidungen abgehen. Wir müssen in der Breite stärker werden.

Wo sehen Sie langfristig den Platz des KSC?

Nahziel ist es, das erste Jahr zu überstehen, den Verein zu konsolidieren und sich mit einem neuen Stadion im Rücken und einer verbesserten Infrastruktur in der ersten Liga zu etablieren – in drei, vier Jahren.

INTERVIEW: OLIVER TRUST