Lieber scheitern als Rückschritte machen

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel lässt UN-Konferenz über nachhaltige Entwicklung platzen: Er weigert sich im Namen der Europäischen Union, einem Abschlussdokument zuzustimmen, das keine konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz vorsieht

VON BERNHARD PÖTTER

Noch vor drei Monaten hatte sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) voller Verständnis für die Blockadehaltung der Entwicklungsländer beim Klimaschutz gezeigt. „Wenn ich ein Delegierter aus den G-77-Staaten wäre, würde ich den Industrieländern auch nicht über den Weg trauen“, polterte er im Februar auf der Konferenz „Bürger der Erde“ in Paris. Am Samstag in New York war es mit diesem Verständnis vorbei. Als Führer der EU-Delegation weigerte sich Gabriel zusammen mit EU-Umweltkommissar Stavros Dimas, einem Schlussdokument der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) zuzustimmen. Darin wollten die Staaten der G 77 ihre Blockade beim internationalen Klimaschutz durchsetzen. Die CSD-Konferenz endete deshalb ohne Erklärung und mit einem Eklat.

Während das Abschlusspapier von China, der G 77 und auch Kanada begrüßt wurde, war für die EU klar: lieber keine Erklärung als so eine. Der Text bleibe nicht nur hinter den Erwartungen zurück, warnte Gabriel. Er schwäche auch die Zusagen vom UN-Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg von 2002.

Inhaltlich ging es bei der zweiwöchigen Konferenz der CSD und im Abschlusspapier darum, wie wichtig Klimaschutz und Energiepolitik im Rahmen der UN-Politik zur nachhaltigen Entwicklung sind. Die EU wollte dem Auftrag des Gipfels von Johannesburg nachkommen, eine bessere Bekämpfung der Armut auch in der Energiepolitik umzusetzen. Bis 2010, so ihr Vorschlag, sollten alle Staaten konkrete „Energiepläne“ zu Energieverbrauch und Klimaschutz vorlegen müssen.

Vor allem die Schwellenländer wie China und die Mitglieder der Organisation Erdöl exportierender Länder, die die etwa 130 Staaten der G 77 anführen, wehrten sich gegen diese Maßnahme, weil sie eine Kontrolle ihrer Energiepolitik befürchteten. Auch die Feststellung, Klimaschutz sei eine der großen Herausforderungen für eine nachhaltige Entwicklung, wollten sie nicht unterschreiben.

„Die EU bedauert zutiefst, dass sich die CSD nicht auf höhere Ziele zum Klimaschutz, zur Energiegewinnung und industriellen Entwicklung einigen konnte“, hieß es in einer Stellungnahme von Gabriel und Dimas. Schließlich warte die Welt auf konkrete Schritte der UNO beim Kampf gegen die Armut.

Die Atmosphäre der Verhandlungen war ohnehin belastet. Der Vorsitzende der CSD, der Energieminister des Öllandes Katar, habe in letzter Minute einen Kompromissvorschlag vorgelegt, bei dem „alles, was nachprüfbar war, verschwunden war“, klagte ein deutscher Delegierter. „Es fehlte jedes Maß an Ambition.“ Außerdem hatte sich der Umweltminister von Simbabwe, Francis Nheme, als neuer CSD-Vorsitzender durchgesetzt – gegen Europa und die USA, die Nheme wegen der Willkürherrschaft in Simbabwe ablehnten.

„Die G 77 wollte sich nicht bewegen, weil sie in diesen Fragen tief gespalten ist“, heißt es aus der deutschen Delegation. Umso dringlicher für die Zukunft sei es, zwischen Industrie- und Entwicklungsländern Vertrauen aufzubauen, mahnte die EU. Das Thema Klimaschutz werde sich ohnehin in andere Gremien verlagern, weil es so wichtig sei – etwa in die Generalversammlung der UN oder die Klimakonferenz im Dezember, prognostizieren die Verhandler aus dem Bundesumweltministerium. Damit bestätigt sich unverhofft, was Gabriel bei seinem ungewöhnlichen Auftritt im Februar in Paris gefordert hatte: „Wenn Klimawandel wirklich eine Überlebensfrage der Menschheit ist, warum ist es dann keine Angelegenheit der Staatschefs?“

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