Tod des „Henkers der Taliban“

Mullah Dadullah, enger Vertrauter des Taliban-Chefs Mullah Omar, war wegen seiner Grausamkeit berüchtigt. Am Samstag wurde er im Süden Afghanistans während einer Militäroperation von afghanischen und westlichen Soldaten erschossen

VON BERNARD IMHASLY

Mullah Dadullah ist tot. Nach Aussagen der afghanischen Regierung und der Nato-Schutztuppe Isaf wurde der Militärchef der Taliban-Rebellen am Samstag bei einer von westlichen Soldaten unterstützten Aktion afghanischer Sicherheitskräfte im Süden des Landes erschossen.

Dadullah war zuvor schon mehrmals für tot erklärt werden. Daher führten die Behörden seine Leiche diesmal Journalisten vor. Diese identifizierten den Taliban-Kommandanten nicht nur anhand sein Holzbeins, das er seit der Zeit des Kriegs gegen die Sowjets trug. Im Unterschied zu anderen prominenten Taliban hatte sich Dadullah auch filmen lassen. Sein Gesicht war der Öffentlichkeit daher bekannt.

Der rund vierzigjährige Dadullah war dafür berühmt, dass er Nachrichtenagenturen anrief und mit bevorstehenden Sabotageakten oder Suizid-Tätern drohte. Im vergangenen Jahr etwa hatte Dadullah auf diesem Wege die Information lanciert, „Hunderte von Suizid-Willigen“ warteten nur auf seinen Einsatzbefehl. Auch die seit einem Jahr zunehmenden Entführungen von Vertretern ausländischer Hilfswerke dem Taliban-Militärchef werden ihm angelastet. Sowohl das Kidnapping des italienischen Journalisten Daniele Mastrogiacomo und seines afghanischen Kollegen Naqshbandi wie auch die Entführung zweier französischer Entwicklungshelfer im März gehen vermutlich auf ihn zurück.

Der einem Paschtunen-Stamm in Belutschistan angehörende Dadullah gehörte bereits vor dem Sturz der Taliban im November 2001 zum Vertreter der harten Linie, die sich durch ihre Grausamkeit im Kampf gegen die Nord-Allianz hervortat. Der Gouverneur der Provinz Kandahar rechtfertigte Dadullahs Erschießung denn auch mit dem Hinweis, der Taliban-Militärchef habe viele afghanische Menschenleben auf dem Gewissen. Laut pakistanischen Berichten hatte Dadullah nach seiner Flucht nach Pakistan begonnen, die versprengten Taliban in Belutschistan wieder zu sammeln und für die Rückeroberung der Macht vorzubereiten. Der oberste Taliban-Chef Mullah Omar, dessen enger Vertrauter er war, holte den Militärchef 2003 in den zehnköpfigen Führungsrat der Islamkämpfer. Zwei Jahre später wurde Mullah Dadullah Militärchef der Taliban für die südlichen Provinzen Afghanistans.

Ein Isaf-Sprecher erklärte gestern, Dadullah werde bald ersetzt werden. Die lose Kommandostruktur der Taliban hätte zur Folge, dass der Tod des Militärchefs ihre Kampfkraft nicht direkt schwächen würde. Gleichzeitig sei Dadullahs Verschwinden aber nicht nur ein rein psychologischer Schlag für die Gotteskrieger, denn der „Henker der Taliban“ habe wie kein anderer Grausamkeit mit Schlauheit verbunden. Mit seiner langjährigen Guerilla-Erfahrung habe Dadullah sowohl das Verhalten der ihm unterstellten Verbände als auch die Weisungen von Mullah Omar beeinflussen können. Insofern hätten die Aufständischen „einen schweren Schlag erlitten“.

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