Freie Räume für freies Denken

Berlins Anti-G-8-Aktivisten setzen auf die Kraft der Anarchie und machen halb Kreuzberg zum „Convergence Space“

So viel Protest war lange nicht mehr: Ob Filme, Mobilisierungsveranstaltungen oder Diskussionen – das Angebot an Widerstandsformen gegen G 8 ist üppig. Für die Woche „vor Heiligendamm“ soll es in Berlin, wie schon in Rostock und Hamburg, ein Forum geben, das einen Rahmen für eine ganze Reihe von Veranstaltungen setzen soll. Unter dem Motto „Die fabelhafte Welt des Widerstandes“ wird von Montag an bis Mitte Juni ein „Convergence Space“ in Kreuzberg installiert.

Möglichst dezentral sollen dabei AktivistInnen und KreuzbergerInnen diskutieren, sich austauschen und Aktionsformen entwickeln. Zusätzlich erwarten die OrganisatorInnen, dass viele GlobalisierungskritikerInnen aus osteuropäischen Ländern auf dem Weg nach Rostock und Heiligendamm in Berlin Station machen und sich in die Aktivitäten einklinken.

Während man in Rostock und Hamburg auf ein „Convergence Center“ als zentralen Ort setzt, ist das Konzept in Berlin ein anderes: Die Mehrzahl der Veranstaltungen finden im öffentlichen Raum statt: In „Parks, Plätzen, Straßen, Clubs und Cafés“ soll sich „ein Raum ohne Mauern und Grenzen“ entwickeln, wo Globalisierung kritisch diskutiert werde, heißt es im Aufruf. So will man auch Menschen aus der Nachbarschaft ansprechen, die nicht nach Heiligendamm fahren, sich aber trotzdem gegen Globalisierung engagieren wollen. Das Konzept beruhe, so die OrganisatorInnen, auf einer „anarchistische[n] Tradition, (…) die immer die Gesellschaft als Ganzes im Blick hat“. Die Trennung zwischen AktivistInnen und BürgerInnen solle überwunden werden. Es gebe in Kreuzberg viele kritische denkende Menschen, „es wäre schade, wenn sie völlig inaktiv blieben“, heißt es bei den OrganisatorInnen. Nicht nur die friedensbewegte Kindergärtnerin, sondern auch der arabische Kulturverein und vielleicht auch der Dönerbudenbesitzer sollten mit Ideen oder Aktionen teilnehmen können.

Neben dem Schwerpunkt auf dem öffentlichen Raum wird es vier feste Infopunkte geben. Dort können Schlafplätze organisiert, Veranstaltungen angekündigt oder Rechtshilfe gesucht werden. Die Infopunkte werden in linken Projekten stationiert sein, etwa im „New Yorck“ im Bethanien oder im Mehringhof-Café „Clash“.

Eine Eigendynamik nach dem Vorbild der argentinischen „asambleas“ – Versammlungen, bei denen die BürgerInnen ihr Geschick selbst in die Hand nehmen – wünschen sich die OrganisatorInnen. Dazu wird es jeden Abend eine Vollversammlung geben, wo die Aktivitäten gemeinsam besprochen werden und alle ihre Ideen einbringen können. Für mobile Essensversorgung sei bereits gesorgt, auch „medical trainings“, Kletterworkshops und Sambagruppen seien bereits organisiert. Die Koordinationsgruppe wolle sich aber vor allem darauf beschränken, die Infrastruktur bereitzustellen. Auch hier steht die anarchistische Tradition Pate, wonach sich die OrganisatorInnen zurückziehen und die Aktionen von alleine weiterlaufen. „Wir sind gespannt, was passiert“, heißt es.

Ob dieses Konzept aufgeht, hängt davon ab, wie weit sich jeder Einzelne einbringt. An Falafel-Ständen, in Kneipen und migrantischen Netzwerken wird momentan versucht, das Konzept bekannt zu machen. Über die Resonanz lässt sich allerdings noch wenig sagen – der erste Takt der Werbetrommel ist gerade erst verhallt. TIM ZÜLCH

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