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: Jetzt neu: Bilderbücher zum Hören. Außerdem Neuerscheinungen zum Thema Coolsein sowie zu Tim und Struppi

Bilderbücher sind Bücher mit Bildern drin. Theoretisch könnte man die zwar als PDF-Datei runterladen, praktisch will das aber niemand. Stattdessen wollen die Leute MP3-Files, die sie sich um den Hals hängen können. Ein Bilderbuch als MP3 ist allerdings schwierig, weil man Bilder nun mal nicht hören kann. Ach, macht doch nichts, müssen sich die Leute vom Nord-Süd-Verlag gedacht haben. Und so findet man, wenn man das Bilderbuch „Mike O’Hara und die Alligatoren von New York“ aufschlägt, zunächst einmal eine Art Rubbellos. Wenn man an dem Silberstreifen rubbelt, kriegt man heiße Finger. Wenn man die Zahl unter dem Silberstreifen trotzdem freigelegt hat und sie als Code auf der Verlagswebpage eingibt, kriegt man heiße Ohren, denn da gibt es das „kostenlose MP3-Hörbuch auf Deutsch“. Es ist das erste Bilderbuch, das man sich um den Hals hängen und mit geschlossenen Augen genießen kann.

Damit das auch wirklich klappt, wiederholt der Text vorsichtshalber noch einmal, was man auf den Bildern sieht: Alligatoren „mit Ketten und Ohrringen, Krawatten und Hüten, Taschen und Schirmen“ zum Beispiel, die laut „Geizhälse! Sesselkleber!“ rufen. Die Ausrufe kann man im Text lesen und gleich daneben und darunter in den Sprechblasen. Gedacht ist das Hörbilderbuch wohl für Kinder, denen niemand mehr vorliest – Musik signalisiert, wann man umblättern soll. Aber die Illustrationen wirken doch eher wie nettes Beiwerk. Dabei hat Petra Rappo die grotesken Abenteuer eines Jungen in der New Yorker Kanalisation mit skurrilen und ironischen Bildern versehen.

In New York leben natürlich nicht nur Krokodile, sondern dort lebt auch der in Budapest geborene Grafiker Istvan Banyai. Der Werber scheint sich mit trendigen Kinkerlitzchen auszukennen, denn er verzichtet darauf. Und damit niemand in Versuchung gerät, sich von seinen Zeichnungen ablenken zu lassen, gibt es gleich überhaupt keinen Text mehr. Stattdessen eine Anleitung zum Falten eines Papierfliegers. Der fliegt der cellospielenden Katze davon. So beginnt eine Bilderreise, mit kleinen Geschichtsfragmenten, die der Betrachter so oder so zusammensetzen kann. Und je öfter man die Zeichnungen anschaut, desto mehr entdeckt man – das ist erstaunlich und schön.

Aber es geht auch einfacher. „Ab heute sind wir cool“ hat ein simples Thema (nämlich das Coolsein) und eine schlichte Moral (Baumhäuser sind besser als Sonnenbrillen bei Nacht). Trotzdem: ein richtig gutes Bilderbuch. Weil Susann Opel-Götz eine ganz eigene Handschrift hat; weil Text und Bilder in einem echten Wechselspiel stehen; weil man einfach sieht, wie Mug und Leo cool sein wollen und sich selbst zum Affen machen. Dabei hat der Betrachter genauso viel Spaß wie die beiden Jungen.

In einer anderen Liga spielend, aber dennoch ein schönes Beispiel dafür, wie zeitlos Bildersprache sein kann, sind Hergés Geschichten von Tim und Struppi: 70 Jahre alt und immer noch lesbar. Der britische Journalist Michael Farr hat nun zum 100. Geburtstag des Zeichners in dessen Archiven gegraben, um Fotos und Zeitungsausschnitte mit den Geschichten zu vergleichen. Wer sich für die realen Vorlagen von „Tim im Lande der Sowjets“ oder „Tim und die Picaros“ interessiert, kann sie nun in dem ausführlichen Rechercheband des Carlsen Verlages nachschauen. Das ist natürlich kein Kinderbuch. Aber man kann es sich schon mal zurücklegen für die Zeit, wenn die Kinder groß sind. Oder es selber lesen. ANGELIKA OHLAND

Jürg Federspiel, Petra Rappo: „Mike O’Hara und die Alligatoren von New York“. Nord-Süd-Verlag, Zürich 2007, 13,80 Euro Istvan Banyai: „Ein Blick, zwei Blicke“. Sauerländer Verlag, Düsseldorf 2007, 14,90 Euro Susann Opel-Götz: „Ab heute sind wir cool“. Oetinger Verlag, Hamburg 2007, 12,00 Euro Michael Farr: „Auf den Spuren von Tim & Struppi“. Carlsen Verlag, Hamburg 2007, 208 Seiten, 35,00 Euro