„Wir haben Rückhalt gegeben“

Der Senat muss sich dafür einsetzen, dass in der Partnerstadt Warschau Aids und sexuelle Aufklärung thematisiert werden, sagt Klaus Lederer. Der PDS-Chef beteiligte sich dort an der „Gleichheitsparade“

KLAUS LEDERER, 33, ist seit Ende 2005 Landesvorsitzender der Linkspartei in Berlin.

INTERVIEW CHRISTINA HEBEL

taz: Herr Lederer, Sie waren am Wochenende das erste Mal bei der „Gleichheitsparade“ von Schwulen und Lesben in Warschau dabei. Hatten Sie keine Angst vor Übergriffen?

Klaus Lederer: Richtige Angst nicht, aber natürlich das Gefühl von Unsicherheit. Ich wusste, dass es in den vergangenen Jahren Übergriffe durch die rechtsradikale „Allpolnische Jugend“ gegeben hatte und dass unklar war, wie sich die Polizei verhalten würde. Wir sind aber ganz bewusst nach Warschau gefahren, um Rückhalt zu geben.

Und war der nötig?

Ja, die Rechtsradikalen und Passanten haben gebrüllt, ihre Stinkefinger gezeigt und klargemacht, dass sie die Gegenseite hassen. Auf keinem der Berliner CSDs in den vergangenen Jahren habe ich solche unmittelbaren Hassreaktionen erlebt. Das ist in Polen eine ganz krude Kombination aus schwerstem Rechtskonservatismus und Homophobie. Die Polizei hat sich aber korrekt verhalten und einen Korridor zwischen der Parade und den Gegnern gehalten. Zum Glück gab es auch viele sympathische Reaktionen der PassantInnen.

Schwulsein gilt in Polen als Todsünde, zumindest wenn man der Kaczyński-Partei Glauben schenkt. Wie empfinden Sie die Stimmung gegenüber Lesben und Schwulen?

Die polnischen Freunde sind sehr darauf bedacht, sehr vorsichtig zu agieren.

Was meinen Sie damit?

Sie passen auf: Öffentlich bekennen sie sich zu ihrem Lesben- oder Schwulsein nicht. Sie laufen zum Beispiel nicht Händchen haltend in der Stadt herum. Viele junge polnische Lesben und Schwule gehen außer Landes, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. In Polen werden sie ausgegrenzt und von Hass verfolgt, wenn sie sich outen.

Ist Berlin mit seiner großen Lesben- und Schwulenszene ein Rückzugsraum?

Ja. Berlin ist sicher eine der Adressen, weil wir als nächste große Stadt im Westen schnell erreichbar sind.

Berlin ist die Partnerstadt Warschaus. Was muss der Senat tun, um die Situation in Warschau zu verbessern?

Wir müssen diejenigen in der Warschauer Stadtverwaltung unterstützen, die sich für Themen wie sexuelle Aufklärung oder Aidsaufklärung einsetzen. Themen, die dort immer wieder beiseitegeschoben wurden, vor allem in der Zeit, als Lech KaczyńĽski noch Stadtpräsident war. Wir müssen in unserer Kommunikation als Partnerstädte die Wichtigkeit dieser Themen immer wieder betonen.

Sie sind bekennender Schwule. Was machen Sie konkret politisch?

Ich bin Mitglied der Initiative Queer Nations, und als solches habe ich mich im Vorfeld der Parade an der Konferenz zum Thema Nächstenliebe beteiligt. Wir haben bewusst die polnische Presse eingeladen, um so die Blockade in der Öffentlichkeit zu durchbrechen.

Und in Zukunft?

Bisher pflege ich vor allem Kontakte in die Communities. Die Szenen in Warschau und Berlin sind sehr gut vernetzt. Ich werde mich in Zukunft sicher auch an der ein und anderen Stelle engagieren, wenn es darum geht, unsere polnischen Partner solidarisch zu unterstützen.

Fahren Sie nächstes Jahr wieder nach Warschau?

Ich werde alles probieren, dass es klappt. Viele, die schon mehrmals dabei waren, haben mir erzählt, dass das Selbstbewusstsein in der Parade in diesem Jahr enorm zugenommen hat, weil mit der wachsenden Solidarität die Angst zumindest während der Demonstration geringer wird. Ein erstes gutes Zeichen.

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