Literaturfreunde aufgeweckt

Auf selbstbewusste Art selbstbewusst: A. M. Homes las aus ihrem Roman „Dieses Buch wird Ihr Leben ändern“

A. M. Homes ist eine dieser furchterregend schlagfertigen und organisierten BewohnerInnen Manhattans, bei denen man als Deutscher leicht Minderwertigkeitskomplexe entwickelt. Dunkle, zwischen Abgründigkeit und Satire changierende Romane hat sie geschrieben über Inzest und über Ehepaare, die die eigene Wohnung abfackeln, zuletzt ein hintergründiges Märchen über einen reichen Mann, der zwar sein Haus und seinen Lebensplan verliert, darüber aber sein Leben findet („Dieses Buch wird Ihr Leben ändern“, siehe taz vom 21./22. 4.).

Und dann sitzt da am Dienstag eine Frau Mitte vierzig im LCB und vermittelt erst einmal den Eindruck, als schüttele sie ihre Obsessionen locker aus dem Handgelenk. Offene Haare, dazu Angela-Merkel-Outfit. Ein kleines Lächeln als Maske, als Moderator Joachim Scholl seine Einführung spricht und die deutschen Passagen gelesen werden. Bei alledem ist sie hochprofessionell, auch während sie dann die englischen Passagen selbst vorträgt.

Spätestens als sie beim anschließenden Gespräch stets pointiert auf alle Fragen antwortet („Good question!“), hat man Ansätze zu einem Essay über den Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Schriftstellerentwürfen im Kopf. Während man in Deutschland als Schriftsteller oft immer noch eine Lizenz für Selbstreflexion, Landflucht und Danebenstehen hat, heißt es für die US-KollegInnen: Machen! Schreiben! Und wenn das letzte Buch kein Erfolg war, dann eben an das nächste Buch setzen! Und wenn das letzte Buch ein Erfolg war, dann trotzdem gleich an das nächste Buch setzen! Bei A. M. Homes kann man studieren, welcher Typus von AutorIn bei diesen Durchsetzungskämpfen im Haifischbecken von New York produziert wird: smart, auf selbstbewusste Art selbstbewusst (also weder arrogant noch aggressiv), immer am Rand der Selbst-PR, dabei stets charmant und nie aus der Rolle fallend. Man spürt, dass auf Knopfdruck die Ausstrahlung abrufbar ist: Wenn du es in New York machen kannst, kannst du es auch im LCB machen. Nur stimmt das eben nicht wirklich.

Selbstverständlich hat sich A. M. Homes eine passende Rahmenerzählung zurechtgelegt. Nach dem 11. September 2001, sagt sie, wollte sie einen optimistischen Roman über Amerika schreiben. Das sei nicht leicht gewesen und habe sie vier Jahre Arbeit gekostet. Los Angeles, wo der Roman spielt, sei die amerikanischste aller amerikanischen Städte: nur Autos, keine Menschen. Und mehrfach kommt aus ihrem Mund der Slogan: Der Roman sei ein „wake-up call to the reader“. Vor allem Letzteres findet man als deutscher Literaturfreund dann doch etwas enttäuschend; man ist ja eher irritiert, wenn AutorInnen ihr eigenes Buch so umstandslos auf den Punkt bringen können. Und das gute alte Rezeptionsmotiv des „Du sollst dein Leben ändern“ möchte man eigentlich lieber selbst entdecken.

Zum Glück kann man das Buch nun allerdings sehr hübsch vor seiner für unsere Ohren zu Marketing-gewandten Autorin in Schutz nehmen. Das Lebensratgeber- und Weckrufhafte ist nämlich zwar drin – im Kern: Ein offenes, kommunikatives, fröhliches Leben ist besser als ein entfremdetes, durchstrukturiertes und einsames; wer hätte das gedacht?! Aber für den deutschen Markt hätte A. M. Homes auch noch durchblicken lassen sollen, dass es immer noch drauf ankommt, was sie als Autorin daraus macht. Und das ist mehr, als an diesem Abend klar wird: Slapstick neben Kulturkritik, comichafte Überzeichnungen neben anrührenden Vater-und-Sohn-Passagen, satirische Einblicke in ein furchtbares Hausfrauendasein neben komischen Einblicken in die Künstlichkeit von Kalifornien. Man liest das gern.

Aber ist doch gut. Vor sich selbst nimmt man eine solche Autorin gern in Schutz. Ist auch gut gegen Minderwertigkeitskomplexe. DIRK KNIPPHALS