Hohe Haftstrafen für Đinđić-Mörder

Belgrader Sondergerichtshof spricht zwölf Angeklagte wegen des Attentats auf den serbischen Regierungschef Zoran Đinđić schuldig. Zwei von ihnen müssen für vierzig Jahre ins Gefängnis. Anwalt des getöteten Premiers kritisiert Verfahrensmängel

AUS BELGRAD ANDREJ IVANJI

Nach dreieinhalb Jahren ist gestern der Prozess gegen die Mörder des früheren serbischen Premiers Zoran Đinđić zu Ende gegangen. Die Vorsitzende des Sondergerichtshofs für das Organisierte Verbrechen in Belgrad, Nata Mesarević, erklärte alle zwölf Angeklagten für schuldig. Das im März 2003 verübte Attentat sei ein Akt gegen die Verfassungsordnung und politische Stabilität gewesen – mit dem Ziel, kriminellen Gruppen durch den Einfluss auf die Machtstrukturen eine persönliche Bereicherung zu ermöglichen, sagte sie zur Begründung des Urteils.

Der Hauptangeklagte und Organisator des Attentats, Milorad Ulemek, genannt Legija, und der Vollstrecker, Zvezdan Jovanović, wurden zu vierzig Jahren Haft verurteilt, die anderen Angeklagten zu Haftstrafen zwischen 30 und 35 Jahren. Der ehemalige Polizist, Saša Pejaković muss für acht Jahre ins Gefängnis. Fünf Angeklagte sind weiter flüchtig. Dem Urteilsspruch wohnten auch Serbiens Präsident Boris Tadić, ehemalige Minister der Regierung Đinđić sowie amtierende Minister der Demokratischen Partei (DS) bei.

Der Prozess war von vielen Affären begleitet worden. Der einzige Augenzeuge und einer der Kronzeugen wurden ermordet. Sieben Staatsanwälte traten entweder zurück oder wurden abgelöst. Auch der Chefrichter nahm seinen Hut, seine Nachfolgerin erhielt anonyme Morddrohungen. Mehrere Minister der Regierung Koštunica kündigten eine völlig neue Untersuchung und Auflösung des Sondergerichts an, einer der höchsten Polizeibeamten erklärte, dass die „Anklage auf wackeligen Füßen“ stehe, was als politischer Druck auf das Gericht gedeutet wurde.

Nach dem Urteilsspruch sind noch viele Fragen offen. Der Anwalt der Familie Đinđić, Srđa Popović, erklärte, dass eine Untersuchung über mögliche Auftraggeber und den politischen Hintergrund des Attentats nie durchgeführt worden sei. Seine Forderung, die Mitarbeiter des Regierungschefs Vojislav Koštunica – vor dem Attentat Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien und ärgster Kontrahent von ĐĽinđić – als Zeugen vorzuladen, wies der Gerichtshof zurück.

Alle Verurteilten waren entweder Mitglieder der Sondereinheit des Innenministeriums „Rote Baretta“, deren Kommandant Ulemek war, des kriminellen Clans von Zemun, der Einfluss auf die Polizei und die Justiz hatte, oder Mitarbeiter des serbischen Geheimdienstes. Sie waren genau über Đinđić’ Zeitplan unterrichtet, was Fragen über die Rolle einiger Mitarbeiter in den staatlichen Behörden aufwirft. Nach einem gescheiterten Attentat auf Đinđić in Belgrad Anfang 2003 wurde einer der Täter in einem Schnellverfahren vom Gericht wieder auf freien Fuß gesetzt.

Eine der Begründungen für das Attentat ist, dass die jetzt Verurteilten, die an Kriegshandlungen beteiligt waren, gegen die Zusammenarbeit mit dem UN-Tribunal für Kriegsverbrechen gewesen seien. Zudem hätten sie die bevorstehende Abrechnung mit Vertretern des früheren Milošević-Regimes, dem Clan von Zemun und die Reform der Polizei und Justiz verhindern wollen.

Bereits vor dem Attentat war Đinđić jedoch einer breiten Kampagne der Medien ausgesetzt, die ihn als kriminellen, korrupten Politiker darstellten, der Serbien ruiniere. Mitglieder der national-konservativen Demokratischen Partei Serbiens (DSS) von Koštunica hatten das Attentat als eine Abrechnung verschiedener krimineller Clans ohne politischen Hintergrund bezeichnet. Nach einer politischen Krise wurden Ende 2003 Neuwahlen ausgeschrieben, die Koštunica dank der Unterstützung der Milošević-Sozialisten an die Macht brachte. Reformen und europäische Integrationsprozesse wurden dadurch gebremst.

Trotz heftigen Widerstands der nationalistischen Kräfte wird eine Straße in Belgrad den Namen von Zoran Đinđić tragen.