DIE US-DEMOKRATEN SIND NUR NOCH DIE HOFFNUNGSTRÄGER VON GESTERN
: Alles ganz normal

Taktisch betrachtet, ist es ein Sieg für US-Präsident George W. Bush, dass der Kongress nun weitere Milliardenfinanzierung für den Irakkrieg bewilligt hat, ohne ein Datum für den Truppenabzug festzuschreiben. Darauf hatte die demokratische Mehrheit Bush ursprünglich verpflichten wollen, das Veto des Präsidenten jedoch nicht überstimmen können. Kein Wunder, dass das Ergebnis allerorts als Niederlage der Demokraten bewertet wird.

Auf längere Sicht allerdings verlieren durch dieses Ergebnis des monatelangen Hickhacks im Kongress alle – allen voran die IrakerInnen. Denn selbst wenn Bush jetzt davon spricht, sein „neuer“ Plan für den Irak gehe erst jetzt, mit der vollständigen Stationierung der zusätzlichen Truppen, in die entscheidende Phase, so scheinen doch die Nachrichten eindeutig: Was die USA im Irak zustande bringen, ist im Wesentlichen eine Verlängerung der gleichen Misere, die schon zigtausende IrakerInnen und über 3.000 US-Soldaten das Leben gekostet hat. Jetzt kündigt Bush aggressiv an, in der nächsten Zeit werde es weiter heftige Kämpfe und Tote auf beiden Seiten geben – aber niemand hofft mehr wirklich darauf, dass dieser Konflikt noch durch die USA militärisch zu lösen sei.

Selbst wenn man es lange Zeit für verfehlt hielt, die USA nach ihrem Einmarsch in den Irak aus der Verantwortung für das zu entlassen, was danach kam – der Zeitpunkt scheint gekommen, wo die USA alle Optionen verspielt haben und der Abzug wirklich die für alle Beteiligten beste Option wäre. Insofern verliert mit der neuen Mittelbewilligung auch Bush, denn der Präsident steuert auf den Moment der totalen Niederlage hin. Je länger sie hinausgezögert wird, umso vollkommener dürfte sie sein, mit allen Folgen, die auch das für die rudimentären Versuche demokratischer Regierungsausübung im Irak hat.

Die Demokraten ihrerseits haben es geschafft, das große Thema Krieg und Frieden zum Gegenstand eines Kuhhandels zu machen: Mindestlöhne und „Katrina“-Hilfe rauf, dafür Irakabzug raus aus dem Gesetz. So viel parlamentarische Normalität irritiert – und verärgert. BERND PICKERT