Verliebt in Berlin

Nach dem Pokalsieg des 1. FC Nürnberg himmelt dessen Präsident Michael A. Roth Trainer Meyer regelrecht an

BERLIN taz ■ Glücklich waren die Menschen, die sich am Sonntag zu Zehntausenden in Nürnberg versammelt hatten, um ihren Club zu feiern. Der konnte 39 Jahre nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft seinen Fans endlich wieder einmal eine bedeutende Trophäe präsentieren. Franken im Glücksrausch. Ein strahlender Präsident Michael A. Roth wurde nicht müde, seinem zufrieden grinsenden Trainer Hans Meyer zu danken für den Titel, auf den „die Region so lange warten musste“. Es ging ihnen so richtig gut nach dem 3:2-Erfolg nach Verlängerung über den VfB Stuttgart im Finale des DFB-Pokals. „Unser Trainer wird uns noch viel Freude machen“, sagte Roth und schaute Meyer beinahe schon verliebt an. „Viele Titel holen, ja, ja“, unterbrach der Trainer seinen Präsidenten und lachte.

Es geht nun darum, Ziele zu formulieren für den Club, der sich seit anderthalb Jahren in einem stetigen Aufwärtstrend befindet. Wie geht es weiter in Nürnberg? Was hat sich geändert? „Vielleicht haben wir jetzt die Möglichkeit, auch einmal den ein oder anderen Topspieler zu verpflichten“, sagte Roth und warf einen weiteren verliebten Blick auf seinen Lieblingstrainer. Meyer gehört zu jener Sorte Trainer, die getrost davon ausgehen, dass sportlicher Erfolg planbar ist. Mit den Voraussetzungen, die er in Nürnberg hatte, so sah er es vor der Saison, sei ein einstelliger Tabellenplatz in der Bundesliga möglich. Das klappte. Meyers Konzept ist also aufgegangen. Er hat nach den Fähigkeiten der Spieler, die ihm zur Verfügung standen, ein System entwickelt, das sich als erfolgreich erwiesen hat. Und doch waren die Begrenztheiten, mit denen ein Emporkömmling ohne großen finanziellen Unterbau zu leben hat, immer wieder zu spüren. Als sich zum Saisonende immer mehr Spieler verletzt meldeten, musste Meyer von Spiel zu Spiel umdenken. Vom ansehnlichen 4-3-3, mit Markus Schroth als Ballverteiler in der Sturmmitte, war nicht viel übrig geblieben. Meyer musste allzu oft improvisieren. Die Planbarkeit des Erfolges war gefährdet. Am Ende sind die Nürnberger auf den sechsten Platz mehr gestolpert, als dass sie sich ihn erspielt hätten.

Und der Pokalsieg, hat er nicht gezeigt, dass die Mannschaft funktioniert, dass genug Potenzial in ihr steckt? „So etwas können Sie nicht planen“, sagte Meyer am Samstag. In der Tat hatte der Club gegen Cloppenburg, Paderborn und Unterhaching in den ersten drei Runden Glück, dass er um eine Blamage herumgekommen ist. Meyer: „Da haben wir richtig Asche gespielt.“ Dann, so der Trainer, habe man zweimal Losglück gehabt und durfte zweimal vor heimischen Publikum spielen. „Man hat gemerkt, der liebe Gott hatte etwas mit uns vor.“ Ja, auch das Finale habe man letztlich glücklich gewonnen durch ein schönes Tor „eines Spielers (Jan Kristiansen), der bis jetzt nur in Dänemark getroffen hat“. Doch nun haben die Nürnberger ihren Titel, sie spielen im nächsten Jahr im Uefa-Cup und sie haben finanziell mehr Möglichkeiten als in den Jahren zuvor.

Dem überglücklichen Michael A. Roth hat so recht keiner glauben wollen, als er seinen Siegesrausch am Samstag für einen Moment niederkämpfte und sagte, man dürfe die Erwartungen jetzt nicht allzu hoch ansetzen. Wo soll es auch hingehen? In die Champions League? Bis jetzt musste Meyer sein System an den Fähigkeiten der Spieler ausrichten. Vielleicht gelingt es dem Präsidenten, Spieler zu verpflichten, die das Wunschsystem des Trainers zu spielen in der Lage sind. Der könnte dann zeigen, wie er sich Fußball vorstellt. Und es wäre ein Erfolg, wenn sich Nürnberg auf eine bestimmte fußballerische Weise einen sechsten Platz wirklich erspielt.

ANDREAS RÜTTENAUER