Bierdeckel-Fritz sorgt für Katerstimmung

Die NRW-CDU weint Friedrich Merz ein paar Tränen nach: Ministerpräsident Rüttgers findet den Abgang „schade“. JU-Chef Volmering spricht von einer „Katastrophe“. Politologe sieht „innere Emigration des CDU-Wirtschaftsflügels“

DÜSSELDORF taz ■ Das nahende Ende der Politkarriere von Friedrich Merz kommentierte Jürgen Rüttgers nur knapp. „Das ist sehr schade“, sagte der Ministerpräsident gestern in Düsseldorf. Die Ankündigung des Bundestagsabgeordneten, bei der nächsten Wahl 2009 nicht wieder anzutreten, sei „in der CDU-Landtagsfraktion mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen“ worden, so der Landesvorsitzende.

Andere NRW-CDU-Politiker gingen bei der Trauerarbeit mehr aus sich heraus. Besonders bei den Jungen und Wirtschaftsliberalen löste die Ankündigung des Erfinders der Bierdeckel-Steuerreform eine regelrechte Katerstimmung aus: „Der Rückzug von Friedrich Merz ist ein schlechtes Signal für die gesamte Union und vor allem für die junge Generation eine Katastrophe“, sagte Sven Volmering, Landeschef der Jungen Union (JU). Merz sei für die CDU nicht zu ersetzen. „Für die verunsicherte Unionsbasis und Wählerklientel ist der Verlust von Merz ein erneuter Schlag ins Gesicht“, sagte der Nachwuchspolitiker. Die Parteiführung in Berlin scheine in keiner Weise mehr mitzubekommen, wie „schlecht die Stimmung vor Ort“ sei, so Volmering: „Wut und Enttäuschung über die Politik der großen Koalition wird mittlerweile abgelöst durch eine weit verbreitete Apathie.“

Auch in der sauerländischen Heimat von Merz herrschte gestern Trauer. Merz sei „das Aushängeschild“ der Partei im Sauerland und bundesweit ein „guter Mann“, sagte der Geschäftsführer der CDU im Hochsauerlandkreis, Friedrich Nies, in Meschede. Merz hatte seine Entscheidung laut Nies in der Sitzung des Kreisvorstandes am Montagabend bekannt gegeben.

Dass Merz seinen Rückzug auch „mit dem politischen Kurs der nordrhein-westfälischen Landespartei“ begründet hatte, wurde von der Führung der NRW-CDU gestern ignoriert. Nur Landtagsfraktionschef Helmut Stahl sagte: „Ich sehe keinen objektiven Anlass zu dieser Einschätzung.“ Merz habe bislang noch nicht mit ihm über seinen Entschluss gesprochen. Er wolle aber das Gespräch mit ihm suchen. Merz galt im CDU-Richtungsstreit des vergangenen Jahres als Gegenspieler von Jürgen Rüttgers, der ein sozialeres Profil der Union gefordert hatte. Er warne seine Partei vor einem „Überbietungswettbewerb um soziale Versprechungen“ mit der SPD, so Merz im August 2006.

„Die Union verliert mit Merz einen Debatter von Format, der vor allem das liberale Spektrum angesprochen hat“, sagte der Politikwissenschaftler Tilman Mayer von der Uni Bonn. Dieser Verlust könne für die CDU als Volkspartei zum Problem werden. „Eine Volkspartei braucht Flügel. Und es sieht so aus, dass auf dem Wirtschaftsflügel der Union eine Art innerer Emigration um sich greift“, so Mayer. Wie Merz fühlten sich viele in der Union offenbar weder durch Kanzlerin Merkel noch „durch den populären bis populistischen Kurs von Jürgen Rüttgers“ angesprochen. „Wenn die CDU diese inhaltliche Lücke nicht schließen kann, könnten sich konservativ-liberale Wähler noch stärker als bei der letzten Bundestagswahl der FDP zuwenden“, so der Politologe.

Die nordrhein-westfälische FDP ihrerseits will Merz nicht bei sich aufnehmen. Friedrich Merz sei zwar in der Wirtschaftspolitik „das ordnungspolitische Gewissen seiner Partei“, so NRW-FDP-Generalsekretär Christian Lindner zur taz. Doch der Konservative vertrete das „liberale Konzept nicht ganzheitlich“, sagte er. In der Innen- und Gesellschaftspolitik sei Merz „weit entfernt“ von der FDP-Programmatik: „Merz ist in der CDU immer noch besser aufgehoben.“

A. JOERES, M. TEIGELER

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