GUTSCHEINE FÜR KINDERBETREUUNG – GUTE IDEE MIT NEBENWIRKUNGEN
: Das große „Wünsch dir was“

Im ersten Moment erscheint das Verfahren, die gesamte Kinderbetreuung auf ein Gutscheinmodell umzustellen, wie die Regierung es nun prüft, absolut charmant. Den Konflikt „Betreuungsgeld versus Kitas“ könnte die Familienministerin mit Betreuungsgutscheinen für alle Eltern tatsächlich aushebeln: Die daheim bleibenden Mütter würden eine Leistung erhalten, die nicht als Herdprämie zu missbrauchen ist. Zugleich aber wirken diese Gutscheine wie ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz: Die Massen von Eltern, die mit dem Gutschein wedelnd vor den Kitas stehen, und zwar vor den guten Kitas, machen einen weiteren Ausbau zwingend. Und es wäre endlich ein Schritt in die richtige Richtung: weg davon, Familien unspezifisch mit Geld zu beregnen. Hin zu einer Politik, die sich dafür interessiert, ob ihre Kinderförderung tatsächlich bei den Kindern ankommt.

Aber wie bei allem, was so schön nach Volksbeglückung klingt, hat auch dieses Modell finanzpolitische Abgründe. Wenn man wirklich alle Eltern mit Gutscheinen versorgt, dann werden gigantische Summen fällig: Man bedenke, dass die bisherigen Betreuungs-Ausbaukosten von zwölf Milliarden Euro nur für ein Drittel aller Kleinkinder vorgesehen sind, mit dem Gutscheinmodell hätten alle Kinder Anspruch auf diese Leistungen.

Es gibt aber noch ein weiteres Problem: Je mehr Geld an die Familien fließt, desto auffälliger wird die soziale Schieflage: Ja, Kinder sind teuer, und deshalb bekommen auch reiche Familien Kindergeld. Aber wenn nun eine weitere Leistung ohne Ansehen des Einkommens an alle ausgeschüttet wird, dann können reiche Familien, die schon vom Elterngeld überproportional profitieren, eben noch mehr Reitstunden für die Kleinen finanzieren. Hartz-IV-Familien dagegen werden weiterhin das Geld fürs Schulessen sparen, weil es sonst zu Hause nichts mehr gibt. Mit der Gießkanne werden dann statt Geldern Gutscheine verteilt. Ein umfassendes Gutscheinmodell zu entwickeln, das bezahlbar bleibt und das soziale Gefälle nicht weiter zementiert – das ist eine wahrhaft visionäre Aufgabe für eine große Koalition. HEIDE OESTREICH