Es wird zurückgeschlossen

Erfolg und Versagen liegen manchmal eng nebeneinander: Der legendäre Club der polnischen Versager muss schließen und sucht einen neuen Ort für sein eigenwilliges Programm

VON CHRISTINA HEBEL

Eng war’s in der Torstraße 66 in den letzten Tagen. „Koniec bliski“ – „Das Ende naht“ steht groß in weißen Buchstaben auf dem Schaufenster des Clubs der polnischen Versager. Und die für den Club übliche Mischung aus Polinnen und Polen, Expolen, Polenfans und Neugierigen kam zahlreich, ergänzt noch durch die Nostalgiker.

Sie wollten noch einmal im familiär anmutenden „Club-Wohnzimmer“ in einem der Sofas mit rotem Samtüberzug lümmeln und bei polnischem Bier oder Wein die unprätentiöse Kultur der Versager genießen. Die Mischung aus Lesungen, Comedy, Jazzmusik und Filmen, manchmal eigenwillig, aber immer mit einer Prise polnischen Humors, machte die Versager über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Das Programm der letzten vier Wochen, darunter Filme von und über die Versager, ist eine Hommage an die vergangenen sechs Jahre Kulturarbeit, eine Feier des langsamen Abschieds, denn morgen früh ist „Koniec“.

Der Club der polnischen Versager feiert heute mit neun DJs ab 21 Uhr Abschiedsparty. Und zwar „bis morgens um 5.45 Uhr, dann wird zurückgeschlossen“, sagt Adam Gusowski vom Versager-Vorstand und verballhornt die historische Lüge der Wehrmacht: „Polen hat uns heute Nacht beschossen. Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!“

Ironie war schon immer das bevorzugte Mittel der polnischen Kulturarbeiter in Berlin. Ein wenig kokett beantwortet Gusowski auch die Frage nach dem Zusammenhang von Club-Schließung und Versagertum: „Wir haben es in den sechs Jahren nicht geschafft, über den Status der ehrenamtlichen Arbeit hinauszukommen.“ Die eigentlichen Gründe für das vorläufige Ende seien aber vielmehr „bürokratisch-polizeiliche“: Lärmgeplagte Anwohner hatten sich wohl beim Bezirksamt Mitte beschwert, und so stand eines Abends im Juni 2005 der Gewerbeaußendienst des Landeskriminalamts im Club. Der befand: Der Kulturverein sei eine unerlaubte Gaststätte, denn es werde Alkohol verkauft. Außerdem fehlten nach wie vor ein Notausgang und zwei Toiletten – eine reiche nicht aus. Tatsächlich gibt es im Club Wein, Bier, Wasser und Cola – gegen 2 Euro Vereinskassenspende.

Joanna Bednarska, Vorsitzende des Clubs, gibt zu, dass der Verein mit Vorschriften und Bürokratie etwas überfordert ist – allein die Vereinsgründung sei schon schwer gewesen. Schließlich wurden die Versager im Juni vergangenen Jahres vom Amtsgericht Tiergarten zu einem Bußgeld verurteilt. „Es ist schon traurig“, sagt Bednarska. „Wir machen alles unentgeltlich und stehen am Ende als Verbrecher da.“ Dann aber lächelt sie: „Wir haben auch viel erreicht. Vor 2001 haben die Leute, wenn sie den ‚polnische Versager‘ hörten, an Nutten, Elektriker und Fliesenleger gedacht. Heute denken sie an unseren Club.“

Im Dezember 2006 wurde ein Gaststättenantrag gestellt, der aber Anfang März zurückgezogen wurde. Die 120-Quadratmeter-Fläche vorschriftengerecht umzubauen sei aus Platz- und Geldgründen einfach nicht möglich gewesen. Heute bedauert sogar der Münchner Hauseigentümer den Auszug des Clubs: „Schade. Für mich ist das ein bisschen Behördensturheit – es war doch seit Jahren bekannt, was die polnischen Versager hier machen.“ Auch der Leiter des Polnischen Instituts, Tomasz Dabrowski, hofft auf eine neue Bleibe für den Kulturverein: „Die Zusammenarbeit ist immer sehr gut gewesen.“

Seit Wochen suchen die Versager eine neue Heimat. Anfangs wollten sie in die leer stehende alte polnische Botschaft Unter den Linden ziehen. Das fand man im polnischen Außenministerium aber nicht „ganz passend“. Bis etwas Neues gefunden ist, gehen die Versager ins Exil. Ab 14. Juni sind sie jeweils am ersten und dritten Donnerstag im Monat im Kaffee Burger und natürlich immer im Internet (www.pol nischeversager.de) zu finden. Aber sie haben einen festen Plan: Am 1. September – genau 68 Jahre nach der Propagandalüge der Nazis – soll es an neuem Ort heißen: „Ab 5.45 Uhr wird zurückgeöffnet.“

Abschlussparty heute, ab 21 Uhr, Torstraße 66