OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Eine „Karriere“ im eigentlichen Sinne hat der amerikanische Regisseur Monte Hellman nie gehabt: Ein paar billige B-Pictures Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre, danach jeweils in großen Abständen gelegentliche Produktionen, seinen bislang letzten Film präsentierte er letztes Jahr beim Festival in Venedig. Dennoch ist Hellman einer der wichtigsten Regisseure des „New Hollywood“, als nicht mehr die ungebrochene Huldigung alter amerikanischer Mythen im Mittelpunkt der Kinokultur stand, sondern ihre Reflexion. Hellmans wohl wichtigster Film ist „Two-Lane Blacktop“ aus dem Jahr 1972: ein Roadmovie um ein illegales Autorennen quer durch diverse amerikanische Bundesstaaten, das vom Ende der Aufbruchstimmung der 1960er Jahre kündet. Denn während der Wettbewerb zwischen The Driver (James Taylor) und The Mechanic (Dennis Wilson) in ihrem 1955er Chevrolet auf der einen und The G.T.O. (Warren Oates) im 1970er Pontiac auf der anderen Seite mit der Zeit gänzlich zur Nebensache gerät, wird immer deutlicher, dass die Protagonisten eigentlich kein Ziel haben, dass die Bewegung und die Beschleunigung zum reinen Selbstzweck geworden sind. Es fallen Sätze wie „You gotta keep moving“ und „You can never go fast enough“ – aber wohin soll die Reise eigentlich gehen? (OF, 5. 3., Arsenal 1)
Es ist ein wenig ruhiger um sie geworden: die finnischen Polka-Rocker Leningrad Cowboys, die sich dereinst zur schlechtesten Rock-’n’-Roll-Band der Welt stilisierten. 1989 inszenierte Aki Kaurismäki mit „Leningrad Cowboys Go America“ einen lakonischen Trip der Showtalente mit den spitzen Schuhen ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo man ja angeblich einfach jeden Mist kauft. Gute Aussichten also für die Cowboys, die alsbald die Ähnlichkeit des amerikanischen Mittelwestens mit der finnischen Tundra erkennen und von Jim Jarmusch einen Cadillac erstehen. Ein absurdes Roadmovie im Zeichen von Dosenbier und Popkultur – eigentlich sollte man sich den Film mal in einer Doppelvorstellung mit „Two-Lane Blacktop“ ansehen. (OmU, 3. 3.–9. 3., Filmrauschpalast, Kulturfabrik Moabit)
In der Dokumentation „Kent Nagano – Montreal Symphony“ begleitet Regisseurin Bettina Ehrhardt den auch in Deutschland gut bekannten amerikanischen Stardirigenten Kent Nagano und sein kanadisches Orchester durch die Konzertsaison 2009. Da geht es um die klassische Hochkultur mit Bruckner, Mahler und Mozart, aber auch um moderne Stücke, die Grenzen überschreiten, wie etwa eine Komposition von Alexina Louie mit Inuit-Kehlkopfgesang. Die wird dann passenderweise den Bewohnern von Kanadas hohem Norden präsentiert, die ihrerseits die klassischen Musikinstrumente eines Orchesters gar nicht kennen. Diese Notwendigkeit, die Musik zu den Menschen zu bringen, ist einerseits typisch für das große und dünn besiedelte Land, scheint andererseits aber auch dem aufgeschlossenen Dirigenten entgegenzukommen, der in diesem Porträt seine Sicht verdeutlicht, dass fast alles Musik sein kann. (5. 3.–6. 3., Babylon Mitte) LARS PENNING
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