Zweifel an neuem Chef

Der neue Vorstandsvorsitzende der Telekom will gleichzeitig sparen und den Service verbessern

BERLIN/BONN taz/rtr ■ Der neue Chef der Deutschen Telekom scheint sich auszukennen mit Turnübungen. Zumindest weiß René Obermann, dass ein Spagat schwierig ist. Und dennoch kündigt er genau diesen an. Die Telekom soll zukünftig besseren Service bieten. Dazu braucht man eigentlich viel Personal. Gleichzeitig verpflichtete sich Obermann aber zu weiteren Kostensenkungen. Jeder Cent müsse zweimal umgedreht werden, sagte er gestern bei seinem ersten Auftritt als neuer Vorstandsvorsitzender.

Kurz zuvor hatte der Aufsichtsrat des Unternehmens getagt und offiziell beschlossen, was bereits am Wochenende durchgesickert war: Der bisherige Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke muss gehen und wird vom Leiter der Mobilfunksparte, René Obermann, ersetzt. Verantwortlich für den Wechsel waren die Großaktionäre, der US-Investor Blackstone und die Bundesregierung, die noch immer das größte Paket an T-Aktien hält. Beide Anteilseigner waren unzufrieden mit der geschäftlichen Entwicklung. So hatte die Telekom erst in der vergangenen Woche einen Gewinneinbruch um über 34 Prozent gemeldet. Zwar stand am Ende immer noch ein Plus von 980 Millionen Euro. Doch die Perspektiven sind nicht rosig. Noch immer laufen der Telekom im Festnetz die Kunden weg. Ricke kündigte am Donnerstag für die nächste drei Jahre ein neues Sparprogramm über 5 Milliarden Euro an, verwies auf die gute Kundenresonanz auf neue Angebote des Unternehmens. Doch auch das rettete ihn nicht mehr.

Sein Nachfolger Obermann bekommt keine Schonfrist. Gleich gestern ließ Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) über seinen Sprecher erklären: Der Bund habe als größter Anteilseigner der Telekom ein „hohes Interesse daran, dass die aktuellen Probleme, vor denen das Unternehmen steht, kurzfristig erfolgreich gelöst würden“. Denn schließlich sind die Telekom-Aktien Teil des Bundesvermögens, dass Steinbrück nach und nach zu Geld machen will. Und deshalb ist er, ebenso wie der Finanzinvestor Blackstone, an einem möglichst hohen Börsenwert interessiert.

So gesehen hat sich der Wechsel gestern für den Bund gelohnt. Die Aktien stiegen um über zwei Prozent – ungewöhnlich viel für ein Börsenschwergewicht wie die Telekom. „Mit einem neuen Mann an der Spitze kommt die Hoffnung auf, dass sich bei der Telekom einiges zum Besseren wendet. Neue Besen kehren gut“, sagte ein Aktienhändler. Allerdings habe Obermann die bisherige Strategie der Telekom mitgetragen, weshalb ihn manche Experten nur für einen Übergangschef halten. Telekom-Analyst Theo Kitz vom Münchner Bankhaus Merck Finck erklärte, es wäre verwunderlich, wenn Obermann die strategische Ausrichtung des Konzerns nachhaltig verändern würde. „Was die Telekom jetzt braucht, ist eine aggressivere Wachstumsstrategie“, sagte er. „Ob es die mit Obermann geben wird, bleibt abzuwarten.“

Aktionärsvereinigungen wie die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sehen in den Abgängen von Ricke und VW-Pischetsrieder in der letzten Woche einen Beleg für den steigenden Einfluss ausländischer Investoren. „Die Zeiten der gemütlichen Deutschland AG sind vorbei“, sagte DSW-Sprecher Jürgen Kurz. Bei vielen DAX-Unternehmen befänden sich die Aktien mehrheitlich nicht mehr im Besitz deutscher Anleger. „Aber auch inländische Investoren sind heute deutlich fordernder als früher.“ STEPHAN KOSCH