Neue Mauer in Mecklenburg

Um Gegner des G-8-Gipfels abzuwehren, bekommt Heiligendamm einen stabilen Sicherheitszaun. Wer das Bauwerk bezahlen soll, ist bisher unklar. Schwerin pocht auf Millionenzuschüsse aus Berlin. Doch die Bundesregierung weiß von keiner Absprache

VON DANIEL SCHULZ

Die weißen Häuser sind von drei Seiten eingeschlossen, im Norden liegt das Meer. Wenn die Menschen nach oben gucken, sehen sie Stacheldraht. Er krönt einen 2,50 Meter hohen Zaun. Betonfundamente halten ihn im Boden. 13 Kilometer lang windet sich der Zaun durch Felder und Wälder. An zwei Eingangstoren kontrollieren Sicherheitskräfte die Menschen, die in das Dorf hineinwollen.

So martialisch wird die Edelhotelanlage in Heiligendamm demnächst aussehen. Wenn die Staats- und Regierungschefs der Gruppe der 8 reichsten Nationen (G 8) sich zu ihrem Gipfel in Mecklenburg-Vorpommern treffen, verwandelt sich der 250-Einwohner-Ort in einen Hochsicherheitstrakt. „Der Zaun ist eine Einzelanfertigung“, sagt Regierungssprecherin Marion Zinke. Bundesbehörden hätten den Bau wegen erhöhter Terrorgefahr verlangt.

Und mit dem Zaun kommt auch gleich die erste Krise der gerade erst gewählten großen Koalition. Elf Millionen soll der Zaun kosten, doch das Land hat in seinem Haushalt nur zehn Millionen Euro eingeplant – für den gesamten Gipfel.

In einer eilig einberufenen Sondersitzung soll das Landesparlament heute einen Antrag der Regierung auf 12,5 Millionen Euro mehr für den Gipfel durchwinken. Die Mehrheit der Koalition gilt als sicher. Unangenehm ist der Regierung die Situation dennoch. Finanzministerin Sigrid Keler (SPD) wollte die Volksvertreter umgehen. Sie bat die Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) per Brief, ohne Parlamentsbeschluss über eine Freigabe des Geldes entscheiden zu dürfen. Das Präsidium lehnte ab.

Für den Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Gino Lenhard, ist es „eine Frechheit“, das Parlament zu umgehen. Er fragt sich, warum die Regierung „so überstürzt“ versucht, das Geld für den Gipfel zusammenzubekommen. „Es ist doch seit letztem Jahr bekannt, dass der Gipfel hier stattfindet.“ Das versteht auch PDS-Innenexperte Peter Ritter nicht, obwohl seine Partei bis zum Oktober noch an der Regierung beteiligt war. Heute jedoch sagt Ritter, es habe bereits damals Meinungsverschiedenheiten zwischen SPD und PDS gegeben. „Wir haben die zuständigen Ministerien aufgefordert, mit Berlin um mehr Geld zu verhandeln“, sagt Ritter. Zwingen können habe man aber keinen.

Die Landesregierung verteidigt sich damit, dass das Geld ja eigentlich da sei – nur eben noch nicht jetzt. 22,5 Millionen Euro habe Berlin mündlich zugesagt, heißt es aus der Staatskanzlei in Schwerin. Schließlich sei die Bewältigung des Gipfels eine „nationale Aufgabe“, sagt Regierungssprecherin Zinke. Doch in Berlin wissen weder das Innen- noch das Finanzministerium von den 22,5 Millionen. „Es gab bisher nicht einmal Verhandlungen zwischen Mecklenburg-Vorpommern und uns“, sagt ein Sprecher des Finanzministeriums.

Noch vor zehn Tagen hatte der unfreiwillig scheidende Innenminister Gottfried Timm gegrollt, das Land sei mit dem Gipfel sicherheitspolitisch und finanziell überfordert (taz vom 4. 11. 2006). Zumindest für Letzteres gibt es Anzeichen. Selbst wenn Mecklenburg-Vorpommern die 22,5 Millionen von Berlin bekommt, reicht das längst nicht. Das Landesfinanzministerium schätzt die Gesamtkosten auf 92 Millionen Euro.

In Heiligendamm sehen die meisten den Gipfel positiv. „Wir sehen das als Chance“, sagt der stellvertretende Bürgermeister Edgar Schmidt (parteilos). Zudem seien die Heiligendammer durch den Bush-Besuch „schon Einschränkungen gewöhnt“.