„Frauen sind viel rationaler“

An ein mögliches Fahrverbot werden sich vor allem Frauen leicht gewöhnen, sagt der Soziologe Gert Schmidt. Der PKW wird an Ansehen verlieren, die Wege in den Zentren werden wieder kürzer

INTERVIEW ANNIKA JOERES

taz: Herr Schmidt, BesitzerInnen von alten PKW droht ein Fahrverbot in den nordrhein-westfälischen Innenstädten. Wird es große Proteste geben?

Gert Schmidt: Nein. Autofahrer sind viel lernfähiger, als die meisten Politiker immer vorgeben. Die Maut in der Londoner Innenstadt hat gezeigt, dass die Menschen sich relativ schnell umstellen können. Natürlich verfolgen sie ihre eigenen Interessen. Aber wenn sie sehen, dass das Fahren teuer wird, die Umwelt daran kaputt geht, werden sie sich darauf einstellen. Autofahrer sind ja auch viel mehr als das. Sie lesen, sie riechen als Fußgänger die Abgase.

Bedeutet dies, dass sich das Image des Autos als Prestigeobjekt verändert hat?

Das Bild hat sich gerade in der letzten Zeit sehr gewandelt. Früher waren die Kraft eines Wagens, die Höchstgeschwindigkeit entscheidend, aber auch Gadgets wie Videorekorder oder elektronische Fahrhilfen waren wichtig. Jetzt spielen andere Kriterien auch eine Rolle.

In der Werbung wird Autofahren immer noch mit Freiheit gleich gesetzt.

Diese Assoziation wird auch bleiben. Mobilität insgesamt wird als Teil der persönlichen Freiheit wahrgenommen. Jetzt gewinnen aber die Rahmenbedingungen wie zum Beispiel der Benzinverbrauch immer mehr an Bedeutung.

Dass Autos umweltschädlich sind, ist seit Jahrzehnten bekannt. Wird sich jetzt auch das Verhalten ändern?

Langsam, ja. Es ist ja bekannt, dass die Differenz zwischen Kopf und Handeln groß ist, auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel dem Rauchen und der Mülltrennung. Aber sobald die Folgen teuer werden, tut sich etwas. Steigt der Benzinpreis, werden andere, auch kleinere Autos nachgefragt.

Der Benzinpreis war auch schon relativ hoch, als Jeeps in Städten modern wurden. Bringen die derzeit diskutierten Verbote etwas?

Auf einseitige Verbote reagieren Menschen sofort mit Ablehnung. Die Regierung muss gleichzeitig Alternativen anbieten. Einen viel besseren Nahverkehr. Die Menschen schätzen am Auto nicht nur, dass sie schnell damit vorwärts kommen. Sie wollen auch vor den Blicken der Anderen geschützt sein, wollen für sich sein. Daran wird viel zu wenig gedacht.

Was fehlt dem ÖPNV?

Er muss viel komfortabler werden, bessere Sitze haben. Die Distanz zum Nachbarn muss ermöglicht werden, zum Beispiel durch breitere Sitze, abschirmende Konstruktionen. Wichtig sind auch häufigere Fahrten und Pünktlichkeit.

Bislang prägen Autos das Leben in den Zentren. Wie wird sich die Stadt in Zukunft verändern?

Ich glaube, sie wird sich differenzieren zwischen denjenigen, die weiter große Entfernungen zurücklegen und denjenigen, die ihren Radius verkleinern. Ich bin mir sicher, dass in Zukunft wieder kleine Läden um die Ecke entstehen, kurze Wege gesucht werden.

Für wen gilt das denn? Welche Menschen werden in Zukunft auf das Auto verzichten?

Generell haben Frauen eine viel rationalere Beziehung zu ihrem Gefährt als Männer. Sie berücksichtigen schon viel länger Benzinverbrauch und Schadstoffe. Obwohl der Unterschied in den vergangenen Jahren auch kleiner wurde. Frauen in ähnlichen gesellschaftlichen Positionen wie Männer wollen auch sportliche Wagen fahren, nicht mehr die Familienkutschen.

Und wer wird sich dann doch gegen die anstehenden Verbote der Städte wehren?

Die tiefste emotionale Bindung zum Auto haben junge Männer zwischen 18 und 25. Vor allem, wenn sie auf dem Land wohnen, ist ihr Wagen oft der Lebensmittelpunkt. Ihnen wurde eine Technikfaszination anerzogen, sie spielen über das Auto ihre Konkurrenzsituationen aus. Aber auch sie sind nicht dauerhaft stur, sie können lernen.