berliner szenen Zoff in der Sparkasse

Erster am Schlitz

In der Selbstbedienungsabteilung der Sparkasse drängeln sich die Leute. Eine Rentnerin in weißem Nylonanorak fächelt sich mit Überweisungsformularen Luft zu. „Gestern waren hier alle Automaten kaputt“, erzählt sie jedem, der ihr nahe kommt. Ein unrasierter Mann mit großer Brille läuft unruhig von den Kontoauszugsdruckern zu den Geldautomaten, dann weiter zur SB-Kasse und zurück. Die Überweisungen, Geldabhebungen und Einzahlungen ziehen sich hin.

Plötzlich stürzen die Rentnerin und der Unrasierte sich gegenseitig wegrempelnd auf den Überweisungsautomaten zu. Der Bärtige ist schneller am Schlitz und schiebt seine Karte hinein. „Ich war eher“, schreit die Frau mit spitzer Stimme. „Stimmt gar nicht“, sagt der Mann. „Außerdem haben Sie mich angefasst, ich lass mich von so einem Dreckfinken wie Sie nicht anfassen. Warum dürfen Sie hier überhaupt ein Konto haben? Waschen Sie sich erst mal!“, kreischt die Rentnerin. „So sind se“, murmelt der Mann in den Automaten. Und etwas lauter zu der Frau: „Seien Sie bitte ruhig, ich kann mich nicht konzentrieren.“

„Noch nicht mal mit dem Automaten kann dieser Assi umgehen.“ Die Alte schaut triumphierend in die Runde, aber außer einer hinzugekommenen Sparkassenangestellten reagiert niemand. „Mäßigen Sie sich bitte.“ – „Ich denke nicht daran!“, sagt die Rentnerin, „nicht bei diesem, diesem …“ Sie schnappt nach Luft.

Die Karte des Bärtigen verlässt den Automaten. „Warum funktioniert das nicht? Ich hab doch Geld drauf“, sagt er zur Sparkassenangestellten. Sie bittet ihn, mit in die Kundenabteilung zu kommen. Die Rentnerin rempelt ihn mit ihrer breiten Hüfte weg und schiebt triumphierend ihre Karte in den Schlitz.

ANNETT GRÖSCHNER