Darfur als regionaler Krisenherd

UN-Sondergipfel berät über verstärktes Eingreifen in Sudans Westregion sowie in den von Rebellionen bedrohten Nachbarländern Tschad und Zentralafrikanische Republik

BERLIN taz ■ Die Zentralafrikanische Republik wähnt sich im Krieg. Seit Ende Oktober Rebellen im Nordosten des Landes den Kampf gegen die Regierung von Präsident Francois Bozizé aufnahmen, ereifern sich Medien und Politiker in der Hauptstadt Bangui: Die „hegemoniale Ambition der Islamisten“ verberge sich hinter den Rebellen der UFDR (Union demokratischer Kräfte für die Sammlung), schrieb dieser Tage die Tageszeitung Le Confident; Präsident Bozizé sprach von einem Umsturzversuch des Sudans.

Die UFDR wurde nach Angaben ihres Sprechers Abakar Sabone im September in Ruanda gegründet. Sabone ist ein ehemaliger Mitstreiter Präsident Bozizés und stellt sich in Interviews als Führer der Muslime des Landes dar. „Die Christen haben 46 Jahre lang regiert. Wo sind wir jetzt? Im Paradies?“, sagte er gegenüber Le Confident am 8. November.

Die Rebellen eroberten am 30. Oktober die Stadt Birao im äußersten Nordosten der Zentralafrikanischen Republik nahe der Grenze zum Sudan und setzen seitdem ihren Vormarsch fort. Gestern wurden Fluchtbewegungen aus Bria gemeldet, Hauptstadt der Diamantenschürfer im Norden des Landes, die kurz vor dem Fall an die Rebellen stehen soll. Die Regierungsarmee scheint machtlos: Banguis Medien berichten, wie der Pilot des einzigen Flugzeuges des zentralafrikanischen Militärs derzeit vergeblich versucht, die Maschine in Bewegung zu setzen.

Nicht weniger dramatisch scheint die Lage im Nachbarland Tschad, wo ebenfalls mutmaßlich vom Sudan unterstützte Rebellen im Osten des Landes ihre Kontrolle ausdehnen. Blutige Kämpfe mit hunderten Toten um den Ort Goz Beida in den vergangenen Wochen führten am Montag zur Ausrufung des Ausnahmezustands über die Ostprovinzen des Tschads durch die Regierung. Zehntausende von Menschen sind nach Angaben von Hilfswerken auf der Flucht.

Sudan destabilisiere seine westlichen Nachbarländer, sagen die Afrikanische Union (AU) und auch Frankreich. Sie beide wollen UN-Truppen an der Grenze des Sudans zum Tschad und zur Zentralafrikanischen Republik stationieren. Dies war gestern ein zentrales Thema einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba.

Eine UN-Truppe an Sudans Westgrenze könnte aus Sicht der AU darüber hinaus ein Ersatz für eine UN-Truppe in Sudans grenznaher Kriegsregion Darfur selbst sein. Sudans Regierung weigert sich strikt, UN-Blauhelme nach Darfur zu lassen. Auf dem UN-Gipfel in Addis Abeba wurde gestern außerdem diskutiert, die „Amis“ in Darfur mit einem gemeinsamen Kommando aus AU und UNO zu versehen, in der Hoffnung, das Gewicht der UNO darin allmählich zu erhöhen. In einem ersten Schritt will die UNO „Amis“ 105 Offiziere, 33 Polizisten sowie Panzerfahrzeuge, Nachtsichtgeräte und Satellitengeräte übergeben.

Sudans Regierung sieht das skeptisch. Sie verlangt, dass das UN-Personal grüne AU-Mützen trägt – die UNO besteht auf blauen UN-Mützen. Außerdem will sie eine mögliche Eingreiftruppe an ihrer Westgrenze höchstens als bilaterale Operation zwischen Sudan und Tschad ins Auge fassen, nicht als internationale Truppe ohne sudanesischen Einfluss auf das Kommando.

Eine Annäherung der unterschiedlichen Positionen war gestern nicht zu erwarten. Aber von der UN-Tagesordnung wird das Thema nicht rutschen. Dafür sorgen schon die zentralafrikanischen und tschadischen Rebellen. DOMINIC JOHNSOn