: Vom Unglück in die Tragödie
Die Auswirkungen sind allgegenwärtig: Der Film „Cataclysm in New Orleans“ zeigt, wie sehr die Opfer des Hurrikans „Katrina“ in New Orleans im Stich gelassen wurden
Zu Beginn des Dokumentarfilms „Cataclysm in New Orleans“ wird der Zuschauer mit Bildern der noch immer allgegenwärtigen Auswirkungen des Hurrikans „Katrina“, der im August 2005 über die Stadt fegte, konfrontiert. Man sieht zerstörte Häuser, umgeknickte Bäume und Autos, die in ihrer grotesken Deformiertheit beinahe an moderne Skulpturen erinnern. Anhand zahlreicher Interviews mit Studenten, Künstlern, Rentnern, freiwilligen Helfern und Lokalpolitikern dokumentiert der Film die zum Teil absurd erscheinenden Effekte der Katastrophe.
So kaufte die Krankenschwester Niki Wilson in Supermärkten Medikamente, um diese an das völlig desorganisierte Rote Kreuz zu verschenken. Der Rapper Joe Blakk wurde von seinem Vermieter verklagt, weil er die Miete für sein mittlerweile unbewohnbar gewordenes Haus nicht zahlen konnte. Ein Rentnerehepaar saß mehrere Tage ohne Nahrung in seiner Wohnung fest, während sich Gangs vor der Tür Feuergefechte lieferten.
Es scheint, als sei die Bevölkerung der ärmeren Teile von New Orleans nach dem Wirbelsturm beinahe komplett auf sich allein gestellt gewesen, weil die zuständigen Institutionen entweder versagten oder es ihnen wichtiger war, Privateigentum zu schützen, als Menschenleben zu retten. Der Bürgerrechtler Malik Rahin äußert gar den Verdacht, dass so manchem die Zerstörung der überwiegend von Schwarzen bewohnten Armenviertel gar nicht so ungelegen gekommen sei. Sein Fazit: „Rassismus verwandelte ein Unglück in eine Tragödie.“ Andere gehen in ihren Anschuldigungen noch weiter und mutmaßen, dass ein Damm gesprengt wurde, um die Viertel der Wohlhabenderen vor den Fluten zu schützen.
Die Filmemacher haben gut daran getan, sich auf die subjektiven Eindrücke ihrer Gesprächspartner zu beschränken, anstatt zu versuchen, die Ereignisse in ihrer Gesamtheit zu rekonstruieren – dies wäre in einer knappen Filmstunde unmöglich zu realisieren gewesen. Dazu hätte es mindestens jener vier Stunden bedurft, die Spike Lees New-Orleans-Requiem „When the Levees Broke“ veranschlagt. Und so ist es auch nur folgerichtig, dass „Cataclysm in New Orleans“ weitgehend auf Fernsehausschnitte mit parlierenden US-Präsidenten oder Bürgermeistern verzichtet und sich auf die Schicksale derer konzentriert, die in den Medien normalerweise nicht zu Wort kommen.
Erst zum Ende hin werden die Bilder im Film ein wenig versöhnlicher. Man sieht blühende Gärten, belebte Straßen, Sonnenlicht, das sich im Mississippi spiegelt. ANDREAS RESCH
„Cataclysm in New Orleans“. Buch und Regie: panmove. Mit Niki Wilson, Joe Blakk u. a. D 2006, 59 Min. Läuft im Lichtblick-Kino
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