Heftige Kämpfe zwischen Armee und Dschihadisten

SYRIEN Die jüngste militärische Entwicklung im Irak verändert auch die Frontlinien im Nachbarland

Das Regime riskiert weitere Geländeverluste, wenn es nicht gegen IS vorgeht

DAMASKUS/BERLIN afp/taz | In Syrien ist es am Wochenende zu heftigen Kämpfen zwischen der Armee und Kämpfern des „Islamischen Staats“ (IS) in den Provinzen Rakka und Homs gekommen. Dabei gelang es den Dschihadisten, den Militärstützpunkt der 17. Division im Norden der Stadt Rakka, einer Hochburg von IS, einzunehmen. Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) am Samstag berichtete, zog sich die Armee am Freitagabend von der Basis zurück. Aus Angst vor Luftangriffen seien die Dschihadisten jedoch zunächst nicht in den Stützpunkt eingedrungen.

Wie SOHR weiter berichtete, seien bei den Kämpfen und Hinrichtungen 85 Soldaten getötet worden. Demnach kamen 16 Soldaten innerhalb von 48 Stunden bei Kämpfen ums Leben und 19 weitere bei zwei Selbstmordanschlägen. Darüber hinaus hätten die Kämpfer der IS 50 Soldaten hingerichtet. Etliche seien geköpft und ihre Leichen in Rakka öffentlich zur Schau gestellt worden.

Demgegenüber gelang es den Soldaten der syrischen Armee, das wichtige Öl- und Gasfeld al-Schaar nahe der Wüstenstadt Palmyra zu erobern, das die Dschihadisten vor einer Woche eingenommen hatten. Nach Angaben von SOHR kamen bei den Kämpfen fast 300 Regierungssoldaten ums Leben. Die Armee sprach von mehreren getöteten Aufständischen. Bereits zuvor hatten die Dschihadisten die größten Ölfelder des Landes in Deir al-Sur im Osten unter ihre Kontrolle gebracht.

Ölminister Suleiman Abbas bezifferte die Verluste des Öl- und Gasgeschäfts seit Beginn der Bürgerkriegs vergangene Woche auf 21,4 Milliarden Dollar (15,9 Milliarden Euro).

Derart heftige Gefechte zwischen Regierungstruppen und IS (früher Isis) sind eine neue Entwicklung. Von Ausnahmen – etwa früheren Offensiven der Isis zusammen mit anderen Gruppen von Aufständischen – abgesehen, griff die Armee ihre Konvois oder Hauptquartiere in Aleppo, Rakka oder Deir al-Sur nicht an. Dabei sind diese deutlich an den schwarzen Fahnen und Spruchbändern der Dschihadisten zu erkennen. Obwohl Präsident Baschar al-Assad sich als Bollwerk gegen Terroristen präsentiert, machte er sich die Tatsache zunutze, dass Isis vor allem gegen andere Rebellengruppen kämpfte und diese damit in einen Zweifrontenkrieg verwickelte und schwächte.

Dies änderte sich im Juni mit der Offensive von Isis im Nordwesten des Irak, wo die Kämpfer bis an die syrische Grenze vordrangen und Grenzorte eroberten. Unmittelbar darauf bombardierte die syrische Luftwaffe einen eroberten syrischen Grenzort und zwei Büros von Isis in Aleppo.

Mit der Ausrufung eines Kalifats durch Abu Bakr al-Baghdadi und der Umbenennung von Isis in IS erheben die Dschihadisten den Anspruch auf eine islamische Herrschaft in der Nachfolge des Propheten, die staatliche Grenzen nicht anerkennt. IS-Mitglieder erklären in Interviews, dies sei das Ende des Sykes-Picot-Abkommens von 1916, mit dem Großbritannien und Frankreich ihre Einflusssphären in der Region nach dem Ende des Osmanischen Reichs festlegten.

Das bedeutet für das syrische Regime, dass es verstärkt gegen IS vorgehen muss, will es nicht weitere Geländeverluste riskieren. Von Luftangriffen abgesehen, hatte sich die Armee bisher auf die Sicherung der zentralen Nord-Süd-Achse sowie die Grenzregion zum Libanon konzentriert. Doch nun kontrolliert IS etwa ein Drittel des Landes. So wird sich Assad möglicherweise gezwungen sehen, eine neue Front zu eröffnen. B.S.