Im Irrgarten der Justiz

Im Kremendahl-Prozess sind Akten verschwunden. Justiz: Revision der Staatsanwaltschaft nicht gefährdet

Das nennt man wohl eine überraschende Wende: Im Parteispendenprozess gegen den ehemaligen Wuppertaler Oberbürgermeister Hans Kremendahl sind Prozessakten verloren gegangen. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hatte die zwei Bände im Oktober zum Landgericht Dortmund geschickt, für eine Protokollkorrektur, wie Sprecher Alfons Grevener sagt. „Wir haben sie bis heute nicht zurück“, bestätigt er der taz. In Dortmund weiß man nichts über ihren Verbleib. „Wir können im Moment nicht nachweisen, dass die Akten bei uns rausgegangen sind“, so Sprecherin Annedore Flüchter.

Ärgerlich ist der Verlust vor allem für die Staatsanwaltschaft Wuppertal. Sie wirft Kremendahl Korruption vor, weil dessen SPD im Kommunalwahlkampf 1999 Spendengelder in Höhe von einer halben Million Mark von einem lokalen Bauunternehmer angenommen hatte. Zwei Mal wurde Kremendahl inzwischen freigesprochen, zuletzt vom Landgericht Dortmund. Die Spende sei zwar „unanständig“, aber nicht strafbar, so das Landgericht.

Gegen dieses Urteil will die Staatsanwaltschaft nun Revision vor dem Bundesgerichtshof einlegen. Dazu braucht sie natürlich alle Prozessakten. „Wir sind schon dabei, die Akten zu rekonstruieren“, sagt Grevener. Das Verfahren sei „durchaus erfolgversprechend“, beteuert er. Auch das Landgericht Dormund setzt auf die Rekonstruktion. „Für mich ist im Moment nicht erkennbar, dass das Verfahren gefährdet ist“, erklärt Flüchter.

Ganz so wichtig sollen die fraglichen Akten ohnehin nicht sein. Verloren sind nach Auskunft der Justiz der letzte Band der Sachakten und der Protokollband. „Die Anklageerhebung ist in den ersten Bänden“, betont Flüchter. Was im Laufe des Verfahrens in den letzten Band Sachakten hineingekommen ist, sei wahrscheinlich als Abschrift an die Anwälte gegangen. Auch die Gerichtsprotokolle sollen ersetzbar sein. In Rohfassung liegen sie noch auf den Rechnern des Landgerichts, sagt Sprecherin Flüchter. Was während der mündlichen Verhandlung an Anlagen hinzukam, hätten wohl ebenfalls die Anwälte.

Aus aktenkundlicher Sicht also alles kein Problem. Und wer weiß: Vielleicht tauchen die verlorenen Prozessakten ja schon morgen wieder auf. Sei es bei der Post oder auch im Landgericht Dortmund. „Die können auch im falschen Fach liegen“, räumt Sprecherin Flüchter ein.

DIRK ECKERT