Wandel ohne Handel

STRAFEN Keine Waffen, keine Fördertechnik, keine billigen Kredite: Die EU verhängt verschärfte Sanktionen gegen Russland. Doch nicht alle lassen ihre Geschäfte stören – Frankreich hält an einem Kriegsschiff-Deal fest

BERLIN/PARIS/LONDON dpa/taz Erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges und zwölf Tage nach dem mutmaßlichen Abschuss einer malaysischen Passagiermaschine über der Ostukraine verhängt die EU Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Die EU-Botschafter verständigten sich am Dienstag auf Exportverbote und Beschränkungen für vier Branchen. So soll Moskaus Zugang zu Waffen, Finanzmärkten, Schlüsseltechnologien und Erdölförderung beschränkt werden.

Die Maßnahmen müssen noch von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden und sollen auf ein Jahr begrenzt sein. Eine erste Überprüfung soll nach drei Monaten erfolgen. Vor allem mit den Finanzmarkt-Sanktionen will die EU erreichen, dass es für russische Banken deutlich teurer wird als bisher, Geld zu leihen. Banken mit einer staatlichen Beteiligungsmehrheit sollen in der EU keine Anleihen mehr auf die Finanzmärkte bringen dürfen. Damit soll auch ihre Fähigkeit sinken, die marode russische Wirtschaft zu finanzieren.

Die EU sei sich bewusst, dass es das „Risiko von Vergeltungsmaßnahmen von Seiten der russischen Regierung“ gebe, sagte ein EU-Diplomat. Sie sei aber entschlossen, gegen das „unentschuldbare“ Verhalten von Russlands Staatschef Wladimir Putin vorzugehen.

Der französische Staatspräsident François Hollande war wegen eines großen Rüstungsvertrags mit Putins Kriegsmarine in Verlegenheit. In wenigen Wochen wird Frankreich einen Hubschrauberträger an Russland ausliefern, ein zweiter ist für Ende 2015 bestellt. Paris macht geltend, dass es sich um einen Vertrag handle, der bereits 2011 unterzeichnet worden war, und dass Russland den Kaufpreis von 1,2 Milliarden Euro längst bereits beglichen habe. Frankreichs staatliche Rüstungswerft DCNS käme tatsächlich durch die bei einem Vertragsbruch fälligen Strafgelder in eine prekäre Lage, außerdem stünde Frankreich auf dem Weltmarkt der Kriegsmaterialexporte auch aus der Sicht von Drittstaaten als zweifelhafter Geschäftspartner da.

Die letzte Stellungnahme von Hollande zu dem kompromittierenden Rüstungsauftrag war gereizt. Frankreich werde das Kriegsschiff „Wladiwostok“, auf dem derzeit in Saint-Nazaire an der Atlantikküste bereits 400 russischen Marineangehörige ausgebildet werden, wie vereinbart liefern. Das „Sewastopol“ genannte zweite Schiff könnte laut Darstellung des französischen Präsidenten als Druckmittel dienen. Es werde von der russischen Haltung gegenüber der Ukraine abhängen, ob es fristgemäß dem Auftraggeber übergeben werde. Tatsächlich will Hollande wohl vor allem Zeit gewinnen.

Innenpolitisch spürt er in dieser Frage kaum Druck: Die Proteste einiger Exilukrainer oder Pazifisten sind fallen für ihn nicht ins Gewicht. Auch die rechte Opposition schweigt betreten – schließlich hat ihr Präsident Nicolas Sarkozy den Vertrag mit Putin geschlossen.

Auch der britische Premierminister David Cameron erklärte seine Bereitschaft zu Maßnahmen gegen Russland. Schatzkanzler George Osborne fügte hinzu, dass Großbritannien bereit sein müsse, finanzielle Nachteile hinzunehmen, wenn die EU schärfere Sanktionen gegen Russland verhänge. „Die Weltwirtschaft würde stärker leiden, wenn wir uns nicht gegen diejenigen wehrten, die unschuldige Flugzeuge vom Himmel schießen“, sagte er.

Der Ölkonzern BP hingegen hat die britische Regierung vor Sanktionen gewarnt – im eigenen Interesse. Dem Konzern gehört ein Fünftel des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft; BP kassierte dafür im ersten Halbjahr diesen Jahres 1,6 Milliarden Dollar – fast 80 Prozent mehr als im Vorjahr.

RALF SOTSCHECK, RUDOLF BALMER,
CHRISTIAN JAKOB