Her mit dem Tempolimit?

In allen Industriestaaten gelten Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Fernstraßen. Nur auf deutschen Autobahnen nicht. Dabei ist längst klar: Wer langsam fährt, schont Nerven und Umwelt. Angesichts des Klimawandels – muss der Staat nicht endlich auf die Bremse treten?

JA

Geschwindigkeit kickt – das Lenkrad zwischen den Händen, das Gaspedal bis zum Anschlag durchgedrückt. Es ist nicht nur die Eile, die Raser treibt, sondern auch das Vorbeifliegen der Landschaft und die kurzen Triumphe beim Überholen.

Die Ankündigung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen lässt in der Regel die hedonistischen Verfechter des freien Spiels der Kräfte aufschreien. „Freie Fahrt für freie Bürger“ – wer langsam fahren wolle, werde daran doch auch nicht gehindert. Dass das so nicht stimmt, weiß jeder, der schon mal auf der Autobahn einen LKW überholte und einen Drängler fast in den Kofferraum hätte einladen können.

Dabei gibt es rationale Gründe, auf die Raserei zu verzichten. Schnelles Fahren spart keineswegs Zeit. Die Minuten, die bei Hochgeschwindigkeit heraus gefahren werden, gehen in den Pausen wieder verloren. Denn: Je höher die Geschwindigkeit, desto höher der Verbrauch, umso häufiger die Tankstellenbesuche. Hinzu kommt, dass das Rasen eine höhere Konzentration erfordert. Fahrer und Fahrerin müssen eine größere Strecke als bei niedrigeren Geschwindigkeiten überblicken, um Unfälle zu vermeiden. Auch dieser Stress müsste mit Pausen ausgeglichen werden.

Rationaler handelt, wer angesichts der globalen Erwärmung vom Gas geht. Klimaschützer, Politiker und Wirtschaftsvertreter streiten ja nur noch darüber, wie viel vom Klimakiller Kohlendioxid durch ein Tempolimit vermieden würde. Die Einen prognostizieren 30 Prozent, auch weil sie darauf setzen, dass Spritsparen zum Statussymbol wird und die Nachfrage nach Ökoautos steigt, wenn schnell fahren nicht mehr möglich ist. Die Anderen rechnen mit mageren zwei Prozent weniger CO2-Ausstoß. Aber: Wer hier vom Tropfen auf den heißen Stein faselt, sei daran erinnert, dass viele Tropfen ein Fass füllen.

Für sich spricht auch, was die Autobahnpolizei an der A40 seit 2003 zwischen Essen-Kray und -Frillendorf beobachtet: Seit dort das Tempolimit mit Radarfallen überwacht wird, ist die Zahl der Unfälle stark gesunken. Viele Fahrer sind von den hohen Geschwindigkeiten überfordert und gefährden so ihr Leben und das Anderer. Und weniger Unfälle bedeuten weniger Staus und Stress für alle.

Wie bei jedem Gesetz ist auch beim Tempolimit auf Autobahnen Strafandrohung und -verfolgung nötig. Die Bußgelder sollten dann investiert werden in eine nachhaltige und Stau vermindernde Verkehrspolitik. Denn auch das gilt: Wer nicht im Stau stand, hat es weniger eilig. NADIA LEIHS

NEIN

Mit einem Tempolimit retten wir die Welt nicht. Das leidige Thema CO2-Ausstoß muss man im internationalen Zusammenhang sehen. Wir können in Deutschland nicht allen anderen den Klimaschutz vormachen. Länder wie USA oder China verantworten den Treibhauseffekt viel mehr als wir. In China fahren Autos, die es hier nicht mal auf dem Schrottplatz gibt. Auch in den USA findet man Fahrzeuge auf den Straßen, die der TÜV längst aus dem Verkehr gezogen hätte. Der ökologische Hebel sollte also eher in solchen Ländern angesetzt werden, wo Umweltschutz noch viel weniger zählt als bei uns.

Der Effekt eines Tempolimits auf den CO2-Ausstoß ist verschwindend gering. Wichtiger ist es, neue klimaschonende Technologien zu nutzen und die so genannten Dreckschleudern aus dem Verkehr zu ziehen, etwa alte Fahrzeuge.

Durch die bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkungen haben wir auf deutschen Straßen ohnehin schon ein Tempolimit. Es gibt nur wenige Straßenzüge, die unbeschränkt sind. Die wenigen Freiräume sollte man aber belassen. 130 km/h Richtgeschwindigkeit sind ausreichend.

Das Auto in Deutschland hat nicht umsonst eine große Tradition. Autos made in Germany haben weltweit einen guten Ruf, weil sie auf den besten Straßen der Welt getestet werden. Dass die Autos ihre Leistung und Geschwindigkeit auch beweisen können, ist ein Gütesiegel und schafft Arbeitsplätze. Die Fahrer bauen zudem nicht weniger Unfälle, wenn es Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt. Der Begriff Raser ist ja relativ. Menschen, die in einer 100-Zone auf der Autobahn mit 116 km/h geblitzt werden, sind für mich keine Raser. Unverantwortlich ist eher, wer schnell durch eine verkehrsberuhigte Zone fährt, wo Kinder auf der Straße spielen.

Leute, die sich auf der Straße illegale Rennen liefern, lassen sich auch durch ein Tempolimit nicht stoppen. Geschwindigkeitsgrenzen können nicht verhindern, dass unter tausenden Autonutzern hundert Chaoten sind. Für die sollte es mehr Fahrsicherheitskurse geben. Fahrer von schnellen Autos wie Ferrari und Lamborghini sind in der Regel nicht die, die am meisten Unfälle bauen. Sie lieben ihre Autos und gehen keine hohen Risiken ein, besuchen regelmäßig das Fahrsicherheitstraining. Fahrer von teuren Sportwagen nutzen eher den Nürburgring, um zu beschleunigen. Auf Deutschlands Autobahnen fühle ich mich immer noch sehr sicher.KAI EBEL