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liberaler innenministerMann ohne Eigenschaft

Ja zu heimlichen Online-Schnüffeleien des Verfassungsschutzes, Nein zum polizeilichen Zugriff auf den Privatcomputer: Ingo Wolf, FDP-Innenminister des Landes, fehlt jede Haltung. Als einziger Innenminister der Bundesrepublik hat der Liberale dem Verfassungsschutz gesetzlich neue Kompetenzen zugesprochen. Nun fordert er vom Bund, was er selbst schuldig bleibt: Überzeugende Gründe für die neuen Befugnisse. So rätselhaft wie diese Einschätzung verläuft auch der Werdegang des geborenen Braunschweigers: Ein wachsweicher Bürokrat hat Karriere gemacht.

KOMMENTAR VON ANNIKA JOERES

Fast zufällig wurde er ins Ministeramt gespült: Früher war der jetzt 51-Jährige bekannt dafür, sich mit Kommunalfinanzen auszukennen, sagen ParteifreundInnen. Politische Diskurse waren nie sein Ding. Nur weil der später verstorbene Möllemann zurücktrat, weil Wolf eine Kampfkandidatur mit einer Stimme Mehrheit gewann, wurde der Jurist erst Fraktionsvorsitzender in der Opposition und dann NRW-Innenminister. Seitdem enttäuscht er alle Erwartungen, die an einen liberalen Innenpolitiker geknüpft sind.

Bei der Innenministerkonferenz legte der blonde Hüne einer der restriktivsten Vorschläge zum Bleiberecht vor und wunderte sich dann über die CDU, die ein liberaleres Ausländerrecht mit verabschiedete. Auf nichts will Wolf sich fest legen. In der Debatte um die ehemaligen RAF-Mitglieder Mohnhaupt und Klar sprach er sich weder für noch gegen eine Begnadigung aus, sondern lieber von einer „schweren Entscheidung.“ Seine Parteifreunde in Berlin haben sich längst fest gelegt – sie plädieren für eine Entlassung der RAF-Häftlinge. Genauso offenkundig ist der Dissens beim Online-Zugriff: Die Bundes-Liberalen forderten Wolf auf, den VerfassungsschützerInnen keinen Einblick in private Computer zu gewähren. Vergebens. Wie es scheint, verzweifelt nicht nur die FDP an ihrem Innenminister. Selbst seine Untergebenen im Ministerium beklagen Wolfs Beliebigkeit.

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