Die EU zündet Strafstufe drei

SANKTIONEN Das Kernstück der europäischen Maßnahmen gegen Russland betrifft den Finanzsektor. Das Rüstungsembargo dagegen gilt eher als symbolisch

BERLIN taz | EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy nannte die EU-Schritte eine „scharfe Warnung“, Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete sie als „unumgänglich“. Die russische Führung müsse nun entscheiden, ob sie den Weg der Deeskalation und der Zusammenarbeit einschlagen wolle. „Die Sanktionen der EU können überprüft werden, es sind aber auch zusätzliche Schritte möglich“, kommentierte Merkel.

Die Botschafter der 28 Mitgliedstaaten einigten sich am Dienstagabend in Brüssel auf ein Paket von Strafmaßnahmen, in dem erstmals Wirtschaftsbereiche im Zentrum stehen. Dabei wird Russland an empfindlichen Stellen getroffen – etwa durch einen erschwerten Zugang zu EU-Finanzmärkten, ein Verbot künftiger Rüstungslieferungen sowie ein Verbot des Exports bestimmter Hochtechnologiegüter an das russische Militär. Es geht dabei auch Exportverbote für Spezialtechnik zur Ölförderung.

Alle Schritte müssen bis Mittwochabend von den EU-Regierungen noch formell gebilligt werden. In Kraft treten sie mit der Veröffentlichung am morgigen Donnerstag. Als Kernstück der Maßnahmen gelten die Beschränkungen im Finanzbereich: Sie schneiden Russland teilweise von den EU-Finanzmärkten ab und erschweren damit die Finanzierung der ohnehin angeschlagenen russischen Wirtschaft.

Schon jetzt machen die bereits verhängten Strafmaßnahmen Russland zu schaffen. Ihrerseits muss die EU eine Flucht russischen Kapitals vom Finanzplatz London befürchten. In der Öltechnikbranche wie im Russlandhandel drohen Arbeitsplätze verloren zu gehen. Die EU ist der wichtigste Handelspartner Russlands. Im Rüstungsbereich gelten die Sanktionen nur für die Zukunft. Alte Vereinbarungen wie die Lieferung einer französischen Fregatte bleiben vom Boykott ausgenommen.

Auch die USA verschärfen ihre Sanktionen. Präsident Barack Obama sprach von einer „eng koordinierten Aktion“. Die Maßnahmen gegen den russischen Finanzsektor sowie gegen den Energie- und Militärsektor würden jetzt „noch mehr Biss haben“.

Das Washingtoner Finanzministerium setzte nach eigenen Angaben unter anderem drei weitere Banken auf die Sanktionsliste. Es handele sich um die Bank von Moskau, die Russische Landwirtschaftsbank sowie die VTB Bank. Dadurch werde der Zugang zu mittel- und langfristiger Dollarfinanzierung erschwert, hieß es. Betroffen seien auch das größte russische Schiffsbauunternehmen (United Shipbuilding Corporation), Technologiefirmen im Militärbereich sowie Unternehmen aus der Ölbranche.

Es ist das erste Mal seit dem Ende des Kalten Krieges vor 25 Jahren, dass es Wirtschaftssanktionen gegen Moskau gibt. Damit hat die Europäische Union den Einstieg in jene Stufe drei der Strafmaßnahmen gewagt, vor dem die Mitgliedstaaten lange zurückschreckten. Mit den Sanktionen soll der russische Präsident Wladimir Putin dazu gebracht werden, die Unterstützung der prorussischen Separatisten in der Ostukraine zu beenden. Offen ist derzeit, wie die Kraftprobe mit der Führung in Moskau ausgeht. GB