Eine warme Sache

Nah dem 2:0-Erfolg über Hertha BSC Berlin gilt Tabellenführer Schalke 04als privilegierter Titelaspirant. Garant dafür: Torhüter Manuel Neuer

AUS GELSENKIRCHEN MARCUS BARK

Das Papier war gerade erst aus dem Drucker gespuckt worden und noch ein bisschen warm, als es vor den Mannschaftskabinen verteilt wurde. Solch einen Service bietet der FC Schalke im Normalfall nicht. Aber die Zahlen auf dem Papier waren für den Verein so gut wie noch nie, deshalb sollten sie alle sofort sehen.

Der FC Schalke 04 hatte nach einem sehr ansehnlichen Spiel gegen Hertha BSC mit 2:0 gewonnen und führt nun die Tabelle der Bundesliga mit sechs Punkten Vorsprung auf Werder Bremen an. Manuel Neuer hatte das Papier noch nicht gesehen, weil er von einem Fernsehsender zum nächsten gezerrt wurde. Mit einem herkömmlichen Exemplar hätte der Torhüter auch nichts anfangen können, denn darauf waren alle Ergebnisse und Platzierungen zu lesen. Neuer hätte ein zensiertes Blatt benötigt. Denn er sagte allen Sendern: „Wir gucken nur auf uns.“

Dieser Reflex war zu erwarten und verständlich. Die Saison hat gezeigt, dass die virtuelle Vergabe der Meisterschale zu einer ziemlichen Blamage geraten kann. Manche haben den Bremern schon nach dem achten Spieltag gratuliert, weil sie die Bayern spektakulär mit 3:1 besiegt hatten. „Schalke spielt nicht spektakulär, aber sehr kompakt. Das ist schon beeindruckend hier“, sagte der Berliner Manager Dieter Hoeneß am Samstag nach dem 21. Spieltag. In diesen Sätzen steckte vieles von dem, was auch die Zahlen auf dem warmen Papier verrieten.

Zur Halbzeit hatte es 0:0 gestanden, und die Berliner gaben zwei Schüsse auf das Tor ab. Einer davon war eigentlich ein Kopfball von Gimenez. Es war die Aktion, die das Gezerre um Neuer erklärte, denn der wehrte ihn mit einem Reflex ab, der so ganz und gar nicht zu erwarten gewesen war. Trainer Mirko Slomka, ansonsten ein beharrlicher Kämpfer gegen Übertreibungen, rutschte das Wort „Weltklasseleistung“ heraus. Kapitän Marcelo Bordon sagte: „Manuel ist ein Supertorwart, für mich der beste in ganz Deutschland.“

Das war auch ein voreiliger Schluss. Aber Bordon hätte ihn mit einem Papier untermauern können, das Neuer beeindruckende Zahlen bescheinigt. Mit dem 20 Jahre alten Torwart verloren die Schalker noch kein Spiel. Bei 14 Einsätzen nahm er erst acht Gegentore hin, achtmal blieb der Gegner ohne Treffer. Das war auch am Samstag der Schlüssel zum Erfolg, denn so gingen die Schalker mit einem 0:0 in die Pause, obwohl sie in der ersten Halbzeit die schwächere Mannschaft waren. „Mehr Hingabe und Leidenschaft“, hatte Mirko Slomka in der Pause gefordert. Die Spieler hielten sich daran. Sehr druckvoll, aber nie kopflos, waren sie auf den Führungstreffer aus, der Kevin Kuranyi in der 64. Minute gelang. „Wir lassen einfach nicht locker und können immer noch eine Schippe drauflegen“, sagte Fabian Ernst, dessen Formkurve in den vergangenen Wochen deutlich anstieg. Er ist momentan der kämpferische Stratege, den sich die Schalker von ihm erhofften. Ernsts Ballgewinn ermöglichte einen hübschen Konter, den Peter Lövenkrands mit dem 2:0 abschloss (75.). Das sechste Saisontor des Dänen sicherte Schalkes sechsten Sieg in Serie. Lövenkrands, der am vergangenen Sonntag beide Tore zum 2:0-Sieg in Bremen erzielt hatte, stellt hohe Erwartungen an sich: „Ich wusste die ganze Zeit, dass ich besser spielen kann. So langsam mache ich das auch.“

Auf eine weitere Steigerung würden die Schalker wohl gern verzichten, wenn sie die Garantie hätten, dass Lövenkrands ohne Verletzung durch die Saison kommt. Zu den beiden verletzten Stürmern Gerald Asamoah (Beinbruch) und Sören Larsen (Muskelfaserriss) gesellte sich nun auch Gustavo Varela, der wegen eines Kreuzbandrisses lange ausfallen wird. Die Bank der Schalker ist qualitativ mäßig besetzt. Zumindest auf dem Papier.