Schweiß und Schmieröl

PETRODOLLARS Der mit Muammar al-Gaddafi verbandelte italienische Fußball will den libyschen Diktator nicht fallen lassen

„Ich wollte ihn nicht stören, weil er sehr beschäftigt ist. Ich hoffe, ihm passiert nichts.“

Perugias Expräsident Luciano Gaucci über seinen Freund Gaddafi

VON TOM MUSTROPH

Sport sei völkerverbindend, meinte einst der Baron de Coubertin. Nun ja. Zumindest als herrscherverbindend erweist sich dieser Tage der Fußball. Profiteur ist Libyens strauchelnder Diktator Muammar al-Gaddafi. Dem laufen zwar fast überall die Freunde weg. Nicht nur bei Facebook. Auch sein einstiger Revolutionskumpel Abd al-Munim al-Huni – er setzte beim Putsch 1969 den Kronprinzen in Tripolis fest, während Gaddafi in Bengasi das Militär unter seine Kontrolle brachte – ging öffentlich auf Distanz. „Früher war er Idealist, heute ist er nur ein Krimineller“, äußerte der nach Kairo geflüchtete frühere Hauptmann in der römischen Tageszeitung Repubblica.

Al-Huni machte aber auch auf „besondere persönliche Beziehungen und private Interessen“ zwischen Italiens Premierminister Silvio Berlusconi und Gaddafi aufmerksam, die bislang verhindert hätten, dass Italien sich vollständig den internationalen Sanktionen anschließt und die libyschen Auslandsgelder einfriert. Italiens Zentralbank kündigte letzte Woche lediglich an, „bei verdächtigen Operationen“ des Gaddafi-Clans „bereit zu sein, die Gelder einzufrieren“. Es gibt stärkere Instrumente.

Berlusconi und Gaddafi verbinden nicht nur autokratische Züge, sondern auch ein seltsames Verhältnis zum anderen Geschlecht: Der Italiener steht auf „Bunga-Bunga“ und vergibt Regierungsposten an äußerlich attraktive, fachlich aber weniger beschlagene Damen, Gaddafi hielt sich eine weibliche Leibgarde, die laut al-Huni im Übrigen verschwunden sein soll, und wollte bei seinem letzten Italientrip 1.000 Hostessen zum Islam bekehren. Darüber hinaus lieben beide den Fußball. Berlusconi kaufte sich den AC Mailand und machte ihn zu einem richtig großen Klub. Gaddafi setzte Geld und Einfluss ein, damit aus seinem drittältesten Sohn al-Saadi ein ganz großer Fußballstar wird.

Technisch war der durchaus begabt, aber „langsam wie eine Schnecke“. Despektierliche Äußerungen wie diese und mangelnde Nominierungen bei Länderspielen kosteten den damaligen Nationaltrainer Francesco Scoglio den Job.

Al-Saadi fand beim AC Perugia sein Glück. Dessen damaliger Besitzer Luciano Gaucci, der sich nach krimineller Pleite dem Zugriff der italienischen Justiz durch Flucht nach Santo Domingo entzog, betonte jüngst in einem Telefoninterview mit dem Blatt Il Riformista seine „wahre Freundschaft“ mit dem Vater des einstigen Spielers. „Ich bin besorgt. Ich habe nichts von ihm gehört, wollte ihn aber auch nicht stören, weil er jetzt sehr beschäftigt ist. Ich hoffe, ihm passiert nichts“, meinte Gaucci. Gespielt hat Gaddafi junior zwar nur 15 Minuten für den AC Perugia, aber 2003/04 eine ganze Saison das Hemd des Vereins getragen. Achselschweiß verbindet.

Al-Saadi kam in der Saison 2003/4 ausgerechnet in der Begegnung des AC Perugia mit Juventus Turin zum Einsatz. Das ist deshalb pikant, weil Gaddafi bereits 1976 seine Petrodollars in Aktien bei Juves Mutterkonzern Fiat steckte. 2002 stieg die libysche Staatsholding Lafico direkt bei Juventus ein. 2003 trugen die Bianconeri den italienischen Supercup gegen Parma in Tripolis aus. Bis heute hält die Lafico 7,5 % der Juventus-Aktien. Umgerechnet auf den Wert der ersten Mannschaft, der beim Jahresabschluss 2011 auf 194 Millionen Euro beziffert wurde, entspricht dies mit 14,5 Millionen Euro in etwa dem Marktwert des derzeit attraktivsten Juve-Spielers Milos Krasic. An ein Einfrieren solcher Werte denkt bei Juventus derzeit niemand. „Kein Kommentar“, hieß es auf Anfrage der taz bei der Pressestelle des Vereins.

Auch die Besitzer anderer Vereine sind mit Libyen verbunden. Größter Einzelaktionär der Großbank UniCredit, die derzeit den ihr als Pfand zugefallenen Serie A-Klub AS Rom verkaufen möchte, sind die libysche Zentralbank und die Staatsholding LIA mit zusammen ungefähr 7,5 Prozent. Das Raffinerieunternehmen Saras von Massimo Moratti, dem Besitzer von Inter Mailand, bezog im letzten Jahr 40 Prozent des Erdöls aus Libyen. Angesichts der gegenwärtig unterbrochenen Lieferungen wendet sich Saras gegenwärtig stark dem Kaukasus zu. Erklärungen, die Demokratiebewegung in Libyen damit zu unterstützen, indem Zahlungen für bisherige Lieferungen eingestellt oder sie direkt Repräsentanten des Volkes oder den Arbeitern auf den Ölfeldern zur Verfügung gestellt werden, sind aus dem Hause Moratti nicht zu vernehmen. Gemeinsame Interessen sind wie Kitt, der ein ruinöses Haus auch dann noch zusammenhält, wenn die Balken bereits bersten.