Das Volk kämpft um die Macht

In den kommenden drei Wochen wird sich zeigen, ob die Hamburger ihre direkte Demokratie kastrieren lassen. Zwei Volksentscheide hat die CDU kassiert. Das soll nicht wieder vorkommen

VON GERNOT KNÖDLER

Es gab Zeiten, da war die Hamburger CDU eine eifrige Fürsprecherin von Volksentscheiden. Noch in den 90er Jahren dümpelte sie in der Wählergunst bei 20 Prozent und hatte keinerlei Aussicht, an die Macht zu kommen. Das Blatt hat sich gewendet. Heute hat die CDU die absolute Mehrheit in der Bürgerschaft und tut sich schwer mit dem Bürgerwillen – so schwer dass sie Volksentscheide per Gesetz erschwert hat.

Die Initiative „Mehr Demokratie“, die seit mehr als einem Jahrzehnt für die Volksgesetzgebung kämpft, will sich das nicht bieten lassen. Sie hat zwei Volksbegehren zur Rettung und zur Stärkung des Volksentscheides auf den Weg gebracht, deren Schicksal sich in den kommenden knapp drei Wochen entscheidet.

Von heute bis zum 5. März können die Wahlberechtigten mit ihrer Unterschrift die Volksbegehren unterstützen. Sie müssen sich dazu allerdings auf eine von zwanzig amtlichen Eintragungsstellen begeben oder eine Briefabstimmung beantragen. Das Unterschriften Sammeln auf der Straße hat der CDU-Senat verboten. „Das ist Schikane“, findet Mehr Demokratie. Wem es ernst sei mit dem Anliegen eines Volksbegehrens, dem könne zugemutet werden, dass er eine Amtsstube aufsuche, argumentiert die CDU. Das eine der beiden Volksbegehren, „Rettet den Volksentscheid“, zielt darauf, das Sammeln auf der Straße wieder zu ermöglichen.

Eine weitere Erschwernis konnte die Initiative mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht abwenden. Im April 2005 hatte die CDU mit ihrer Mehrheit beschlossen, dass Volksentscheide nicht mehr an Wahltagen stattfinden dürfen. Ein Jahr später erklärte das Gericht diese Regel für verfassungswidrig.

Mit dem zweiten Volksbegehren „Hamburg stärkt den Volksentscheid“ will Mehr Demokratie Volksentscheide verbindlich machen. Zweimal hat der Senat das Ergebnis von Volksentscheiden ignoriert. 2004 beschloss die CDU gegen den Volkswillen, den Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) an den Asklepios-Konzern zu verkaufen. Eine Klage vor dem Verfassungsgericht scheiterte.

Die Entscheidung für den Verkauf der Krankenhäuser hatte der Senat finanzpolitisch begründet. Der Verkauf sei notwendig, um den Schuldenberg der Stadt abzutragen. Die Initiatoren der Volksinitiative trügen nicht die politische Verantwortung, dem Volk mangele es an Einblick.

Zwei Jahre später schlug der Senat wieder zu, indem er das 2004 per Volksentscheid eingeführte neue Wahlrecht änderte. Er stellte in einigen Kernpunkten das alte Wahlrecht wieder her und sicherte so den Einfluss der Parteigremien auf die Kandidatenaufstellung. „Erstmals in Deutschland ändert eine Partei im Alleingang das Wahlrecht, so wie es ihr passt“, kommentierte Angelika Gardiner von Mehr Demokratie.

Der ehemalige Präsident des Rechnungshofs, Hermann Granzow, sprach von einem „Angriff auf die politische Kultur“, der sich bitter rächen werde: durch Wahlverdrossenheit, die Missachtung der politischen Klasse und durch Misstrauen gegenüber politischen Versprechen.

Die Initiative Mehr Demokratie, die auch die treibende Kraft hinter dem Volksentscheid für eine neues Wahlrecht war, sah sich deshalb gezwungen, eine weitere Kampagne zu lancieren. Anfang 2005 sammelte sie gut 19.000 Unterschriften für die Volksinitiative „Rettet den Volksentscheid“ und mehr als 16.000 Unterschriften für „Hamburg stärkt den Volksentscheid“. 10.000 wären jeweils nötig gewesen. Um den Nachteil auszugleichen, dass die Unterschriften für die entsprechenden Volksbegehren auf Ämtern geleistet werden müssen, sammelt die Initiative jetzt Anträge auf Briefeintragung auf der Straße.