Freispruch im Prozess um 28 Tote

Fast vier Jahre nach dem Busunglück von Lyon wird ein Mitarbeiter vom einstigen Wunstorfer Unternehmen „Tiger-Bus-Reisen“ vom Vorwurf fahrlässiger Tötung freigesprochen. Wie das Drama passierte, ist auch nach dem Prozess unklar

Der Angeklagte schaute weiter finster, als der Vorsitzende Richter Wolfgang Rosenbusch gestern am Landgericht Hannover nach 16 Prozesstagen und der Vernehmung von mehr als 70 Zeugen das Urteil verkündet hatte: Dabei wurde Patrick M. von dem Vorwurf freigesprochen, er sei für die fahrlässige Tötung von 28 Menschen verantwortlich.

M., so die Staatsanwaltschaft, soll als „faktischer Geschäftsführer“ der einstigen Wunstorfer „Tiger-Bus-Reisen“ einen übermüdeten Fahrer für eine Bus-Reise ins spanische Lloret de Mar eingeteilt haben. In den frühen Morgenstunden des 17. Mai 2003 kam dieser Bus kurz vor Lyon von der regennassen Fahrbahn ab und überschlug sich mehrfach. 28 Passagiere starben, darunter auch der 53-jährige Fahrer. 46 Passagiere wurden zum Teil schwer verletzt.

„Es gibt Anhaltspunkte, dass der Fahrer übermüdet war“, erklärte Richter Wolfgang Rosenbusch in der Urteilsbegründung. Allerdings habe der Prozess nicht „mit der erforderlichen Sicherheit feststellen“ können, dass M. den Fahrer einteilte, der zuvor auch schon einen Bus von Genua nach Norddeutschland gelenkt hatte.

Bereits am ersten Prozesstag im September hatte M. auf die Frage, wer denn die Dienstpläne geschrieben habe, geantwortet: „Ich nicht.“ Möglich ist, dass der Fahrer, der der offizielle Inhaber von Tiger-Bus war, sich kurzfristig selbst einteilte und damit die Disposition eines weiteren „Tiger-Bus“-Mitarbeiters umkrempelte.

„Diesem Entlastungszeugen glaube ich einfach nicht“, sagte Staatsanwalt Ralf Eitner. Der als „Schrauber“ bekannte Unglücksfahrer sei nur auf dem Papier der Chef gewesen. Eitner ist weiter von der Mitschuld des 43-Jährigen überzeugt und prüft nun eine Revision. Der Angeklagte habe „von der erheblichen Überlastung des Fahrers gewusst und hätte die Pflicht gehabt, die Fahrt in den Tod zu stoppen“, betonte Eitner.

„Das Bedauerlichste ist, dass wir auch nach dem Prozess nicht wissen, was an dem Unglücksmorgen passiert ist“, sagte die Verteidigerin Lilian Teuschler. Nach ihrer Version hat ein Auto den Doppeldecker abgedrängt. “Um den Unfall komplett aufzuklären, müssten wir einen Strafantrag in Frankreich gegen unbekannt stellen“, sagte die Anwältin. Dies sei in Planung. Teuschler wollte ein Gutachten zur Rekonstruktion des Unfalls erstellen lassen. Dazu kam es nicht, weil vor Gericht nur die Disponenten-Frage eine Rolle spielte.

ksc