Yukos: Noch mehr Schadensersatz

JUSTIZ Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Moskau zu Milliardenzahlung für die zerschlagene russische Ölfirma

Die Summe ist bedeutend niedriger, als die Kläger erhofft hatten

FREIBURG taz | Russland muss den Ex-Inhabern der zerschlagenen Ölfirma Yukos rund 1,9 Milliarden Euro Schadensersatz zahlen. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Das Urteil kommt nur wenige Tage nach einer Entscheidung des Den Haager Schiedsgerichtshofs, der den Yukos-Eignern sogar 50 Milliarden Dollar (37 Milliarden Euro) zugesprochen hatte.

Yukos gehörte einst dem Oppositionellen Michail Chodorkowski. Mithilfe von Scheinfirmen hatte der Ölkonzern Geld in russische Niedrigsteuergebiete verlagert, was die dortigen Behörden 2004 als Steuerhinterziehung werteten. Die massiven Steuernachforderungen konnte Yukos aber nicht zahlen, weshalb wesentliche Teile des Konzerns in einer dubiosen Versteigerung billig verkauft wurden.

Der EGMR hatte bereits 2011 entschieden, dass die russischen Behörden Rechte von Yukos verletzt hatten. Unter anderem hatte Yukos bis zur ersten Gerichtsverhandlung nur vier Tage Zeit, um 43.000 Seiten Akten durchzuarbeiten. Den Vorwurf der Steuerhinterziehung hielt der Gerichtshof dagegen für gut belegt, Yukos sei auch nicht willkürlich herausgegriffen worden, die Strafen seien nicht unverhältnismäßig gewesen.

In der jetzigen Entscheidung ging es nur noch um die Höhe des Schadensersatzes. Yukos hatte 38 Milliarden Euro gefordert, weil das gesamte Steuerverfahren ein politisches Komplott gewesen sei. Da der EGMR diese Auffassung nicht teilte, war klar, dass die Summe deutlich niedriger liegen würde. 1,9 Milliarden Euro ergaben sich aus Detailkritik am russischen Vorgehen. So hatte der russische Fiskus bei der Steuernachforderung für die Jahre 2000 und 2001 die eigenen Verjährungsregeln verletzt. Außerdem hatte Russland von Yukos überhöhte Vollstreckungsgebühren verlangt.

Gegen die Berechnung des Schadensersatzes können beide Seiten noch die Große Kammer des EGMR anrufen. Diese wird aber nur in Grundsatzfragen tätig. (Aktenzeichen: 14902/04)

Der Haager Schiedshof hatte am Montag zwar ebenfalls angenommen, dass die Steuervermeidungspolitik von Yukos nicht legal war, fand jedoch das gesamte Vorgehen der russischen Behörden exzessiv. Es sei offensichtlich nicht darum gegangen, Steuern einzunehmen, sondern Yukos in den Bankrott zu treiben und das Yukos-Betriebsvermögen russischen Staatskonzernen zuzuschanzen.

CHRISTIAN RATH

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