„Einfach Quatsch machen“

PERFORMANCE Der Bremer Schriftsteller Sönke Busch über sein neues Projekt, das er heute Abend am Café Sand mit der lautesten Rede der Welt vorstellen wird

■ 34, geboren in Bremen, ist Schriftsteller und Redner. 2012 las er ein Jahr lang jeden Donnerstagabend in der Kneipe Lehmans aus seinem Fortsetzungsroman „Bomben auf Utopia“.

INTERVIEW JENS LALOIRE

taz: Herr Busch, Sie werden sich am Café Sand auf einen fünf Meter hohen Stuhl setzen, um die lauteste Rede der Welt zu halten. Geht es Ihnen dabei lediglich darum, laut zu sein, oder können die Leute noch mehr erwarten?

Sönke Busch: Na ja, das ist ganz witzig. Die lauteste Rede war einfach nur ein Aufhänger, und es ist schon spannend, wie alle total dahinter her sind.

Aber worum geht es genau?

Das ganze Ding heißt ja „Der Plan“. Wir haben das ursprünglich vor etwa 20 Jahren entwickelt. Das waren Willehad Eilers, mein bester Freund, und ich. Wir haben darüber geredet, dass wir etwas machen wollten, aber wir konnten das nicht. Wir haben uns dann aber gesagt, dass uns das eigentlich nicht davon abhalten sollte, das zu machen, auch wenn wir es nicht können. Und seitdem ist es unser Thema, dass es in der Kunst und im Leben nicht darum gehen kann, etwas sein zu lassen, nur weil einem das Ergebnis nicht gefallen könnte. Wir wollten nicht zu einem Zweck arbeiten, sondern dahingehend, später den Sinn zu entdecken. Das ist der Plan.

Welche Rolle spielt dieser Plan?

Jeder hat das Gefühl, es gibt irgendwie einen Plan. Und jetzt geht es darum, diesen Plan zu erforschen. Mein Thema der letzten zwei Jahre war eine Kritik an der Verwertungslogik unserer Welt. Das war Grundthema von allen Sachen, die ich geschrieben habe. Im letzten Jahr habe ich dann an einer Differenzierung zwischen Sinn und Zweck gearbeitet. Ein Leben, das sich sinnvoll anfühlt, finde ich großartig. Aber ich finde es ganz schrecklich, wenn man Dinge nur tut, weil sie einen Zweck haben.

Versuchen Sie diese Zweckfixierung ad absurdum zu führen, wenn Sie vorab ankündigen, dass es sich bei Ihrem Plan um „das lauteste Stück Unsinn aller Zeiten“ handele?

Mir geht es darum, dass ich diesen gesellschaftlichen Konsens nicht mag, dass man über alle Dinge Kontrolle hat. Man tut Dinge für einen Zweck, und das ist mittlerweile so ein innerer Zwang geworden. Wenn das, was ich tue, keine direkte Verwertbarkeit hat, dann ist es im Grunde nicht wert, gemacht zu werden.

Aber können Sie sich dem entziehen? Sie kritisieren die Verwertungsökonomie, doch wenn Sie Erlebnisse in Ihren Texten oder Reden verarbeiten, für die Sie bezahlt werden, ist das dann nicht auch eine Form von Verwertung?

Total. Klar. Das ist ja der Punkt. Ich weiß, dass ich mich genau in diesem System bewege. Letztendlich ist das meine einzige Berechtigung, mich überhaupt dazu zu äußern. Das ist das System, in dem ich lebe und das ich für mich aus Gemütlichkeit akzeptiert habe. Ich habe ja einen Lebensstandard und ganz offensichtlich habe ich überhaupt kein Interesse, davon zurückzutreten. Also bin ich innerhalb des Systems und habe mir meiner Meinung nach dadurch auch das Recht erworben, dieses System zu kritisieren.

In Ihrem Ankündigungstext sprechen Sie davon, dass „wir Menschen dieser Stadt aus der Bahn geraten“ seien. Ich muss gestehen, da werde ich immer skeptisch, wenn einer behauptet, er spreche stellvertretend für eine Gruppe, Generation oder ganze Stadt. Wen meinen Sie mit „wir“?

Ich denke, es gibt eine große Überschneidung im Menschsein an sich. Das meine ich mit „wir“. Auf Bremen bezogen kann ich das sagen, weil ich mich damit auskenne. Ich würde niemals von „Wir Deutschen“ sprechen. Das ist mit völlig fremd, da kenne ich mich überhaupt nicht mit aus. Alles, was ich ein bisschen weiß, ist, wie es ist, Bremer zu sein – und ein bisschen, wie es ist, Mensch zu sein.

Sie kritisieren das große Pläneschmieden. Haben Sie denn für Ihre Rede einen Plan?

Ich kann nicht sagen, ich habe da ein Ziel oder so was. Ich stelle mir nur vor: Ich lasse mir einen fünf Meter hohen Barhocker bauen, stelle den an den Strand an der Weser, stelle da eine riesengroße Anlage hin, lade ganz viele Leute auf die andere Seite ein und erzähle irgendetwas.

Was genau?

Worum es am Samstag genau geht, das weiß ich wahrscheinlich erst am Tag vorher.

Mir ist immer noch nicht ganz klar, warum es denn unbedingt die lauteste Rede der Welt sein muss.

Damit Sie jetzt hier sitzen und wir ein Interview führen.

Ach, das ist nur das Lockmittel?

„Im letzten Jahr habe ich dann an einer Differenzierung zwischen Sinn und Zweck gearbeitet. Ein Leben, das sich sinnvoll anfühlt, finde ich großartig. Aber ich finde es schrecklich, wenn man Dinge nur tut, weil sie einen Zweck haben“

Nein, es macht Sinn, weil man damit perfekt aufzeigen kann, wie Form und Inhalt immer mehr voneinander entkoppelt werden. Es ist doch so vollkommen unwichtig, ob das laut ist oder nicht. Jedes am Morgen gehauchte „Hallo“ unter der Bettdecke zu jemandem, den du magst, ist wichtiger als irgendein Schreihals, der sich hinstellt und die Leute zusammenschreit.

Geht es auch darum, lauter zu sein als die, die sonst immer die Lautesten sind?

Ja, ein bisschen auch.

Und darum, die Rede aufzunehmen, um sie dann als Video auf Youtube hochzuladen und erfolgreich zu verwerten?

Mag sein. Aber letztendlich geht es mir darum, da oben auf dem Stuhl einen guten Moment zu haben und einfach großen Quatsch zu machen, frei von jeder Ökonomisierung.

Ist das für Sie ein Ideal, so ein Zustand, in dem man sich von jeder Verwertungslogik freimacht und im Moment aufgeht?

Ja klar, ich liebe Menschen für die Dinge, die sie tun, ohne es zu bemerken und zu planen. Das finde ich wahnsinnig toll.

Heute, 20.30 Uhr, Café Sand/Osterdeich