Flüchtige Polizeichefin

Gegen die Essener Polizeipräsidentin läuft ein Verfahren wegen Fahrerflucht. Sie selbst beteuert ihre Unschuld

Stephanie Fischer-Weinsziehr lässt hart durchgreifen. Für sie gibt es kein Vertun bei Einbrüchen oder Temposünden: „Falsch verstandene Toleranz gegenüber Straftätern darf es nicht geben“, so die Ansage der Essener Polizeipräsidentin. Umso peinlicher ist es für Fischer-Weinsziehr, dass gegen sie selbst nun wegen Fahrerflucht ermittelt wird, kein Jahr nach Dienstantritt.

Wie gestern bekannt wurde, schrammte sie beim Ausparken auf einem Supermarktparkplatz in Münster ein Auto. Anstatt ihre KollegInnen bei der Polizei anzurufen, fuhr sie davon, als wäre nichts geschehen. ZeugInnen vor dem Supermarkt überwachten die Überwacherin und merkten sich ihr Nummernschild. Inzwischen läuft ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Münster gegen die 57-Jährige Polizeichefin. Die verteidigt sich gegenüber der Presse, es sei dunkel und regnerisch gewesen an jenem Tag. Auch ihr Sohn, der mit im Auto saß, will nichts von dem Zusammenstoß bemerkt haben.

Wenn ihr das die Staatsanwaltschaft jedoch nicht glaubt, würden der Ordnungsverliebten außer den 224 Euro Lackschaden eine Geldstrafe zwischen 15 und 30 Tagessätzen und womöglich ein einmonatiges Fahrverbot drohen. Das wäre sicherlich verkraftbar für eine Frau, die überwiegend mit der Bahn zur Arbeit fährt. Außerdem bliebe ihr der Trost, dass sie die Polizeistatistik nicht in ihrem eigenen Dienstbereich mit einem Negativzähler füllt. In Essen ist die Zahl von flüchtigen FahrerInnen im vergangenen Jahr um 150 gegenüber dem Vorjahr auf insgesamt 4.500 Drückeberger angestiegen. Die bisher makellose Karriere von Fischer-Weinsziehr würde jedoch eine Schramme erhalten.

Bisher galt die Polizeipräsidentin als loyal und kompetent und saß nicht nur im Auto, sondern auch in den Behörden hinterm Steuer. Nach ihrem zweiten juristischen Staatsexamen arbeitete Fischer-Weinsziehr bei der Bezirksregierung Detmold, ab 1979 bei der Bezirksregierung Münster. Als Polizeichefin kam sie vor allem in Frage durch ihre Arbeit als Hauptdezernentin Verwaltung und Logistik Polizei. Eine so treue Staatsdienerin eine gewöhnliche Kleinkriminelle? Wie das Verfahren ausgeht, „ist noch völlig offen“, sagt Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer. Wenn sie büßen muss, dürfte das auch ihren Fürsprecher Ingo Wolf (FDP) ärgern. Der Landesinnenminister hatte sie vergangenes Jahr als neue Präsidentin in Essen vorgeschlagen.

MORITZ SCHRÖDER