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Im Staub rasen sie im Kreis

Die rebellischen Helden des amerikanischen Regisseurs Arthur Penn scheitern – an ihrem Stilwillen, ihrer Freiheitsliebe oder am Westernklischee. Heute erhält Penn den Ehrenbären für sein Lebenswerk

VON BIRGIT GLOMBITZA

Dieser Cowboy ist am Anfang schon am Ende. Vom Gaul keine Spur. Und niemand weiß, wie lange er schon seinen Sattel in sengender Hitze über der Schulter tragen muss auf seinem Weg durch die Prärie, die so groß und weit und gleichgültig aussieht wie immer. Dennoch hat man diese bereits tausendfach Kino gewordenene Landschaft in „The Left-Handed Gun“ irgendwie im Verdacht, längst vom Straßenbauwesen erschlossen zu sein und hinter dem nächsten Hügel eine solide geteerte Trasse zur nächsten Stadt zu verbergen. Das mag daran liegen, dass Paul Newman eher die brüchige Renitenz jugendlicher Stadtrebellen aus den 50ern ins Gesicht geschrieben steht als die wortkarge Ungerührtheit eines klassischen Pistolenhelden.

Gleich mit dem ersten Bild von Arthur Penns Billy-The-Kid-Variation, seinem Debütfilm von 1955, landen wir tief im Herzen des Penn’schen Kosmos. Mitten in der für den New-Hollywood-Regisseur so typischen Entzauberung gängiger Genremythen und der Bildung neuer, gegenwartsbezogenerer Ikonen. Jeder von Arthur Penns Filmen, zumindest jeder bis „Target“ (1985), wird von nun an ein Experiment zum Thema Verhältnis Mythos und Wirklichkeit sein. Und jeder wird einen neuen Heldentypus in die Kinowirklichkeit entlassen, dessen zeitgenössische Subversivität und „dekorative Kaputtheit“ (Georg Seeßlen) wenigstens im Fall von „Bonnie and Clyde“ bis in Mode und Musik ihre Abdrücke hinterlässt. Der unbedingte Stilwillen des Gangsterpärchens, der sich in Clydes Krawatte oder in Bonnies Halstuch niederschlägt, kreiert eine ganz eigene Hipness der Revolte. Der geht es allerdings nicht darum, den Armen zu helfen oder sich einen Traum in der Karibik zu erfüllen, sondern darum, eine Ikone der Coolness, ein Popstar zu werden.

In „The Left-Handed Gun“ lässt Penn seinen kindlich-neurotischen Helden, der den Tod seines Mentors nicht verkraften kann, an der eigenen Unreife, aber auch am autoritären System des klassischen Westerns, wie wir ihn etwa seit John Ford kennen, kläglich scheitern. In einer Arena aus Staub und Blut, aus traumatischen Kränkungen und jugendlicher Todesschwärmerei. Und in einer fast immer tödlichen Konfrontation zweier gegensätzlicher Welten, einer bürgerlich-patriarchalen und einer freien rebellischen. Dass die Letztere von der Ersteren zunehmend absorbiert wird, darin liegt die große Tragödie im Kino des Arthur Penn. Die Bedrohung des Westerners ist bei Penn der Westerner selbst und seine von ihm geschaffenen Männlichkeitsrituale. Aus Billy The Kid ist ein Märtyrer der eigenen Geschichte geworden.

Penns Kino, das in den Augen Hollywoods viel zu schmuddelig und diffus daherkam, als dass man es fürchten müsste (auch wenn Penn den großen Studios regelmäßig Stars wie Marlon Brando, Robert Redford oder Jack Nicholson wegschnappte), liebt die Aussteiger und Underdogs. Seine Helden sind Fahndungsbilder, Phantome, die sich danach sehnen, ganz Körper zu werden, eine Geschichte zu bekommen. Sie wollen Frieden finden, in die Ewigkeit eingehen.

Sie kommen aus dem Nichts. Sie haben keinen Ort, selten eine Familie und fast nie einen Vater. Sie sind ständig in Bewegung, als fürchteten sie im Stillstand das eigene Verschwinden. So rennen sie, reiten, rasen mit dem Auto oder drehen sich wie der angeschossene Gene Hackman in „Night Moves“ in einer bodenlos melancholischen Schlusstotale in einem Motorboot im Kreis. Sie scheinen die Letzten ihre Art und ihres Genres zu sein. Der letzte Revolverheld („The Left-Handed Gun“), der letzte Pferdedieb („The Missouri Breaks“, 1976), der letzte Privatdetektiv („Night Moves“, 1975), der letzte Hippie („Alice’s Restaurant“,1969). Oder der letzte Cheyenne. In „Little Big Man“ (1970) ist diese Zugehörigkeit bezeichnenderweise die Entscheidung eines simplizistischen Wahlindianers, der wie Woody Allens „Zelig“ ein schon unheimliches Anpassungstalent an den Tag legt.

Die Wut der Helden richtet sich nicht allgemein gegen eine Gesellschaft, die trotz aller Freiheitsversprechen noch lange nicht jede individualistische Lebensform duldet. Sie richtet sich zumeist gegen regionale Machthaber oder gegen Banken. Da werden Erdklumpen auf das Schild lokaler Großgrundbesitzer geworfen. Und nicht zufällig exerzieren Bonnie und Clyde ihre ersten Schießübungen an einem Schild, auf dem der Name der Bank steht, der die überschuldeten Farmen der Gegend zufallen.

Die Freiheit der Protagonisten bleibt bei Penn, dem vielleicht ungestümsten Romantiker unter den New-Hollywood-Regisseuren, immer etwas Provisorisches, höchst Fragiles und hart Umkämpftes. Und die hassvolle Unerbittlichkeit, mit der die Gesellschaft die Hatz aufnimmt, liegt in einer tiefen Verunsicherung begründet. Denn die Rebellen stehen für das andere Amerika, für sein Urversprechen vom individuellen Glück. Sie provozieren das real existierende Amerika mit seinen eigenen Idealen und sorgen so für eine fundamentale Erschütterung. Eine Erschütterung, die etwas viel Bedrohlicheres freilegt: die Idee der Revolte selbst und ihre Coolness.

Im Rahmen der Hommage läuft täglich (bis 18. 2.) um 15 Uhr ein Film von Arthur Penn im Zeughauskino („Mickey One“, „The Miracle Worker“, „The Left-Handed Gun“, „Bonnie And Clyde“)

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