Ein Doppel für dynamische Märkte

Mit Biofach und Vivaness finden in Nürnberg parallel zwei Messen statt, auf denen sich rasante Entwicklungen widerspiegeln: Bioprodukte erfreuen sich stark wachsender Nachfrage, ebenso Naturkosmetik und Wellness. Damit steht auch Wandel an

VON KLAUS LEONARD

Bio boomt. Das hat sich mittlerweile weit herumgesprochen. Dieser Boom macht aber ausgerechnet einigen Pionieren der Branche zu schaffen. Einerseits machen die Zahlen viele Protagonisten der Branche euphorisch: Seit drei Jahren steigt der Umsatz der gesamten Biobranche im zweistelligen Bereich. Bioprodukte im Wert von 3,9 Milliarden Euro ließen sich die Deutschen 2005 schmecken. Der Zuwachs wird mit jährlich mehr als 10 Prozent veranschlagt. Vor allem die Neugründungen von 40 bis 60 Biosupermärkten pro Jahr und die Aktivitäten der Discounter tragen deutlich zum Marktwachstum bei. Zudem steigt das Qualitätsbewusstsein der Verbraucher angesichts ständig neuer Lebensmittelskandale oder genmanipulierter Lebensmittel. In Berlin gibt es mit über 30 Biosupermärkten mehr als in jeder anderen deutschen Stadt. 2005 öffneten dort 9 neue Märkte mit über 200 Quadratmeter Verkaufsfläche.

Die Kehrseite dieser Dynamik: Der zunehmende Wettbewerb führt zu deutlichen Veränderungen bei den Marktanteilen. Wer nicht investiert, sein Angebot aktualisiert und erweitert, leidet auch in der boomenden Biobranche unter wirtschaftlichen Einbußen. Durch eine bessere Verfügbarkeit von Bioprodukten in Biosupermärkten, im Lebensmitteleinzelhandel und bei Discountern geraten bäuerliche Direktvermarkter, aber auch kleinere Naturkostläden unter Druck. Während der Lebensmitteleinzelhandel 2005 seinen Marktanteil auf 41 Prozent (plus 4 Prozent) ausbaute, sank die Erzeugerdirektvermarktung auf 14 Prozent (minus 2 Prozent). Rückgänge auf 6 Prozent (minus 2 Prozent) machten auch der Reformbranche zu schaffen. Trotz steigender Umsatzzahlen ging der Anteil des Naturkostfachhandels auf 25 Prozent (minus 1 Prozent) leicht zurück. Ebenfalls 1 Prozent Verlust auf 6 Prozent mussten Biometzger und -bäcker verkraften. Gewinner waren neben dem Lebensmitteleinzelhandel auch Drogeriemärkte, Lieferdienste und Verarbeitungsunternehmen, die auf 8 Prozent (plus 1 Prozent) zulegten. Nicht gesondert ausgewiesen sind hier Discounter, die besonders profitiert haben dürften. Der Umsatzanteil von Biolebensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel wird sich von heute 3 Prozent bis 2010 verdoppeln, so das Ergebnis einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG und des EHI Retail Institute, Köln.

Diese Entwicklungen sind Grund genug für rund 2.100 Aussteller aus 73 Nationen, sich vom 15. bis 18. Februar auf der „Weltleitmesse“ für Bioprodukte in Nürnberg zusammenzufinden und auszutauschen. Auf der Biofach werden zudem über 37.000 Besucher aus über 100 Ländern der Erde erwartet. Erstmals geht die Fachmesse für Naturkosmetik und Wellness parallel zur Biofach an den Start. Auf der Vivaness sind rund 125 Anbieter von Naturkosmetik- und Körperpflegeprodukten sowie von Drogerieartikeln vertreten. Das entspricht einem Ausstellerplus von rund 30 Prozent. Unter dem Motto „Zukunftsmärkte gestalten – Fakten, Trends und Meinungen“ findet auch 2007 parallel zur Doppelmesse ein umfangreiches Kongressprogramm statt. Die Themen sind breit gestreut. Neben verschiedenen Länderreports bietet der Kongress auch Spezialthemen wie „Erfolg am Point of Sale“, den „Treffpunkt BioGastronomie“ und Diskussionen zur Revision der EU-Ökoverordnung. Neu ist das „Forum Vivaness“ mit Veranstaltungen rund um die Naturkosmetik. Ein Drittel der Vorträge bezieht das internationale Fachpublikum ein und wird in englischer Sprache abgehalten. Die Kongressveranstaltungen und Firmenvorträge sind öffentlich und für alle Besucher von Biofach und Vivaness frei zugänglich.

Die Vivaness, international bedeutendste Fachmesse für Naturkosmetik und Wellness, erweitert ihr Angebot um die Segmente Naturapotheke (Naturheilmittel, Nahrungsergänzung, Medizinprodukte), Wellness (Massage-, ätherische Öle, Kerzen) sowie Geschenke und Accessoires. Naturkosmetik ist ein dynamischer Nischenmarkt. Experten schätzen das Marktvolumen 2006 in Deutschland auf 450 bis 600 Millionen Euro. Damit hat es sich laut Branchenreport Naturkosmetik seit 2003 verdoppelt. In Deutschland sind die Zuwächse moderater geworden und liegen zwischen 5 und 10 Prozent. Der Exportanteil am Umsatz steigt. Die USA, Japan, Korea und Taiwan sind exponierte Märkte, in denen deutsche Weltmarktführer Wachstumsraten zwischen 50 und 100 Prozent verzeichnen. In den USA wird bis 2010 ein Wachstum von 50 Prozent erwartet. Auch in Europa, ganz besonders in Frankreich und Großbritannien, steigt das Interesse an Naturkosmetik.

Die Entwicklung des Naturkosmetikmarkts spiegelt sich auf der Nürnberger Messe wider: Seit 2000 verdoppelte sich sowohl die Ausstellerzahl als auch die vermietete Fläche. Mehr als jeder dritte Besucher der Biofach 2006 interessierte sich auch für Naturkosmetik. Neben den Weltmarktführern des Naturkosmetikmarkts, die vorwiegend aus Deutschland kommen, sind dieses Jahr auch Aussteller aus anderen europäischen Ländern und Asien dabei. Der Anteil der internationalen Aussteller liegt bei 21 Prozent.

Ein spezielles Kongress- und Weiterbildungsprogramm bietet an den ersten drei Messetagen das Forum Vivaness. Schon 2006 nutzten gut 550 Fachbesucher aus dem Naturkosmetikbereich die damals 14 Spezialveranstaltungen für Information und Diskussion. 2007 stehen im „Forum Vivaness“ unter anderem Fachthemen wie Trends im internationalen Naturkosmetikmarkt oder die Harmonisierung der EU-Naturkosmetik-Richtlinien auf dem Programm.