Ansturm in Nadelstreifen

Die neuen Hochschulräte sind begehrt: Vor allem Wirtschaftsvertreter wollen künftig an den Unis mitbestimmen. Studi-Vertreter und Wissenschaftler sind besorgt: „Senat wird zu Folklore“

VON MORITZ SCHRÖDER

An den NRW-Hochschulen beginnt das Postengeschacher. Ranghohe Vertreter aus Wirtschaft und Politik aus NRW haben Interesse an einem Sitz in den neuen Hochschulräten der Unis und FHs angekündigt. „Einige Industrie- und Handelskammern im Land haben Hochschulen angeschrieben, dass sie Interesse an einem Sitz im Rat haben“, sagt Patrick Honecker, Sprecher der Universität Köln. Auf der vergangenen Sitzung der Landesrektorenkonferenz waren Vertreter der Arbeitgeberverbände im Land anwesend, um über die Hochschulräte zu sprechen. „Es gibt Interessenten für einen Sitz“, sagt Bernhard Keller, Vizechef der NRW-Arbeitgeberverbände.

Das seit Jahresbeginn geltende Landeshochschulgesetz sieht vor, dass den neuen Hochschulräten neben Wirtschaftsvertretern auch Leistungsträger aus der Wissenschaft und der Kultur angehören. Nach Angaben von Volker Ronge, dem Vorsitzenden der Landesrektorenkonferenz in Nordrhein-Westfalen, ist der Andrang auf die Plätze in der Wirtschaft jedoch am größten.

Viele Wissenschaftler und Studierendenvertreter sehen sich nun in ihrer Befürchtung bestätigt, dass die Unis durch das neue Gesetz abhängiger von wirtschaftlichen Interessen werden könnten. Der demokratisch legitimierte Senat, der mit allen Gruppen der Hochschule besetzt ist, werde auf „folkloristische Restfunktionen reduziert“, fürchtet Torsten Bultmann, Vorsitzender des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Der Hochschulrat ist keiner politischen Instanz rechenschaftspflichtig“, sagt er.

Erfahrungen mit den Gremien gibt es schon seit Jahren, etwa in Bayern oder Niedersachsen: „Dort sitzt insgesamt eine Mehrheit aus der gewerblichen Wirtschaft in den Gremien“, sagt Bultmann.

Marcel Michels, hochschulpolitischer Referent vom Studierendenausschuss der RWTH Aachen, schwant schon Böses für die NRW-Hochschulen: „Die Grundlagenforschung wird bei wirtschaftlicher Dominanz verlieren, da Forschung und Lehre anwendungsbezogener werden.“ Das Fach Philosophie etwa könne dann bei der RWTH auf der Streichliste stehen. Im Senat wollen sich die Studierenden daher für Hochschulräte aus Kultur und Wissenschaft einsetzen.

„Es geht den Unternehmen nicht um Einfluss, sondern um das Einbringen von Sachverstand“, sagt Hans-Georg Crone-Erdmann, Hauptgeschäftsführer der IHK in NRW. Die Hochschulleitungen in NRW überlegen allerdings schon, wie sie ihre Eigenständigkeit in Zukunft bewahren können. An der Uni Wuppertal soll das achtköpfige Gremium nur zum Teil mit externen Fachleuten besetzt werden, „aus Angst vor vollständiger Fremdbestimmung“, so Rektor Volker Ronge. Er plädiert für ein Mischverhältnis aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen in den Räten. Die Uni Köln setzt unter anderem auf profilierte ausländische Wissenschaftler. Burkhart Rauhut, Rektor der RWTH Aachen, hat kein Problem mit Wirtschaftsvertretern, „die ja auch wissen, was sie an einer Hochschule haben“. Zudem setzt auch er auf ehemalige Studierende. Diese seien besonders eng mit den Interessen der Uni verbunden.

Für Arbeitgebervertreter Keller ist es wichtig, dass die Entscheidungsträger ausschließlich Hochschulinteressen vertreten. In Frage kämen zum Beispiel Personen „mit langjähriger Drittmittelerfahrung“. Und auch das NRW-Wissenschaftsministerium verspricht, nur Personen zu rekrutieren, „denen die Hochschule am Herzen liegt.“ Wie das Herz schlägt, entscheidet sich in den nächsten Monaten.