Von Räubern und Gendarmen

Die Ausstellung „Geld oder Leben!“ im Museum für Kommunikation in Hamburg skizziert das Handwerk der Räuber in Deutschland. Vom Postkutschenüberfall bis zum virtuellen Datenraub können die Besucher die Geschichte des Räubertums nacherleben

Der professionelle Räuber agiert stets auf der Höhe seiner Zeit. Es ist für ihn geradezu überlebenswichtig, das eigene Handwerk an die Gesetzmäßigkeiten seiner Umwelt anzupassen. Denn will er erfolgreich sein im Rauben, Stehlen, Tricksen, Plündern, Überfallen, möchte er reiche Beute machen, so wird der Ganove die Objekte seiner Begierde mit großem Fleiß studieren. Ansonsten geht es schief – und er wird büßen müssen für die Überschreitung des Gesetzes. Die Risiken seines inoffiziellen Berufsstandes sind immens. Denn auch die Hüter des Gesetzes, die ihn rastlos und mit Hilfe modernster Technologien jagen, schlafen nicht.

Das Museum für Kommunikation in Hamburg widmet diesem permanenten Katz-und-Maus-Spiel von Räuber und Gendarm nun eine Ausstellung: „Geld oder Leben! Vom Postkutschenüberfall zum virtuellen Datenraub“. Auf 400 Quadratmetern werden mehr als 400 Exponate gezeigt, die vom späten 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart hineinreichen. Sie dokumentieren die Transformation des Geldwesens ebenso wie die Entwicklung der Kriminalistik.

Der chronologisch geordnete Rundgang beginnt bei den bäuerlichen Räuberrotten, die zur Zeit der Aufklärung durch die Wälder streiften, und denen Friedrich Schiller sein Stück „Die Räuber“ widmete. Schwere Truhen gefüllt mit Golddukaten stehen zwischen echten Baumstämmen, und es gibt Reiseaccessoires und Geldbörsen von 1780 zu sehen, mit denen die Opfer von Schinderhannes und seinesgleichen damals auf den unsicheren Straßen unterwegs waren. „Die Postkutschen fuhren mit einer Geschwindigkeit von vielleicht fünf Stundenkilometern, jederzeit konnten Räuber aus dem Wald springen“, sagt die wissenschaftliche Leiterin und Ausstellungskuratorin, Gaby Sonnabend. Aber auch die Räuber fürchteten um Leib und Leben. Die Guillotine, die dem Schinderhannes einst den Kopf abschlug und ein Richtschwert hinter Vitrinenglas zeugen davon.

Den brutalen Räuberbanden folgte im 19. Jahrhundert für kurze Zeit der listige Trickbetrüger. „Aber durch die Entwicklung des Polizeiwesens und der Telegrafie, die Fahndungen über große Gebiete ermöglichte, endete der Postraub.“ Die Historikerin Sonnabend hat ein Jahr und drei Monate für die Ausstellung recherchiert. Es entstand schließlich eine historische Typologie des Räuberhandwerks.

Den nächsten Räubertypus verkörperten die „Schränker“. Die schweren Golddukaten hatten sich längst in leichte Geldscheine aus Papier verwandelt. Das lagerte nun in Banken. Zu großem Ruhm brachten es die Brüder Sass, die in der Weimarer Republik reihenweise die Tresorräume von Banken plünderten. Ihr Ende fanden sie in einem Konzentrationslager der Nazis: die Gestapo richtete sie in Sachsenhausen hin. Neben zwei lebensgroßen Fotografien von Erich und Franz Sass, die sich derart zwischen die Besucher gesellen, ist auch ihr Panzerknackerwerkzeug zu sehen: Schneidbrenner, Druckmesser und Stemmeisen, die sie auf den Raubzügen begleiteten.

Es begann die große Zeit der Kriminalistik. Der Fingerabdruck wurde als Beweismittel entdeckt, Chemikalien in die Spurensicherung einbezogen. Die Ausstellung zeigt auch das immer raffiniertere Handwerkszeug der Ermittler.

Nach 1945 wurde der Banküberfall die populärste Form professionellen Raubes. An diesem Punkt der Ausstellung treten die Opfer in den Vordergrund der Aufmerksamkeit. Bankangestellte berichten dem Museumsgast von dem traumatischen Erlebnis eines bewaffneten Raubüberfalls. „Wer einmal überfallen wurde, betrachtet sein Leben mit anderen Augen“, erzählt eine junge Frau über die Kopfhörer. Außerdem sprechen Psychologen über die Folgen für die Betroffenen und ihr soziales Umfeld.

Der Rundgang durch die Handwerksgeschichte der Räuber endet vor Flachbildschirmen. Phishing-Mails deuten auf zeitgenössische Formen der Kriminalität. Die Computer fordern zum Test heraus: Können Sie echte von unechten Internetseiten und E-Mails unterscheiden? Mit dem bargeldlosen Betrug schließt die Ausstellung ab.

Am Ende bleibt das Staunen – und auch ein wenig Sympathie, zumindest für den Erfindungsreichtum mit dem die nonkonformistischen Kriminellen bereits vor Hunderten von Jahren den Vermögenden und den Herrschenden ins Gesicht lachten. Schon Friedrich Schiller dichtete im Jahre 1781 in seinem Räuberlied: „Morgen hangen wir am Galgen, Drum lasst uns heute lustig sein“. MART-JAN KNOCHE