Eine ehrliche Haut aus der Provinz

Sozialistenchef Jan Marijnissen ist in Holland nicht erst seit seinem Wahlerfolg everybody’s darling

Gemocht wird er als Mann der klaren Worte schon lange. Sogar Anhänger von Christdemokraten und Rechtsliberalen bezeichnen Jan Marijnissen als „absolut integren Politiker“. Doch wenn es in der Vergangenheit ums Kreuzchenmachen ging, war ihnen der Partei- und Fraktionschef der niederländischen Sozialisten (SP) dann doch zu suspekt. Der 54-Jährige trat seit 1989 als Spitzenkandidat seiner Partei für die Wahl zum holländischen Unterhaus an und machte dort seit 1994 Opposition.

Der charismatische Sozialistenchef, der vor einem halben Jahr einen Schlaganfall erlitt, sich schnell erholte und nun bei den Parlamentswahlen vom Mittwoch die Zahl der Mandate seiner SP von 9 auf 26 verdreifachen konnte, ist nicht nur unaufhörlich durch die Provinz getingelt, um mit den Menschen im Land ins Gespräch zu kommen. Er hat sich auch in den Fernsehdebatten der letzten Wochen als ehrliche Haut und selbstloser Kämpfer für soziale Gerechtigkeit präsentiert. Und die Holländer kaufen es dem gelernten Maschinenschlosser ab, der sich in jüngster Vergangenheit vehement gegen ein Ja zur EU-Verfassung aussprach, den Irakkrieg und die niederländische Beteiligung am Afghanistaneinsatz verurteilte und die Reformpolitik der Regierung Balkenende als „kalt und herzlos“ brandmarkte.

Geboren wurde Jan Marijnissen in Oss, einem Städtchen in der Provinz Noord-Brabant. Als Gymnasiast lieferte sich das jüngste von vier Kindern mit so manchem Pauker Verbalschlachten über den Vietnamkrieg der US-Amerikaner und widmete sich statt den Hausaufgaben nach eigenen Angaben mehr der Lektüre von Marx, Freud oder Marcuse. Kurz vor dem Abitur schmiss er die Schule und jobbte in zahllosen Branchen, bevor er seine Metallerlaufbahn bei einer kleinen Schiffswerft in Oss begann.

Wegen seiner Mitgliedschaft in der zu jener Zeit maoistisch ausgerichteten SP hatte er im erzkatholischen Oss bald seinen Ruf weg. Und das kam auch seinem beruflichen Werdegang nicht unbedingt zugute. Einen Arbeitsvertrag bekam er nie. 1975 rückte Jan Marijnissen für die Sozialisten in den Stadtrat von Oss ein und war mit 23 Jahren das jüngste Ratsmitglied im Land. 17 Jahre war er, damals noch mit schwarzem Haarschopf, dort politisch aktiv und brachte zusammen mit lokalen Bürgerinitiativen so manchen Umweltskandal ans Licht. 1994, dreißig Jahre nach Gründung der Partei, die von KP-Dissidenten als Marxistisch-Leninistisches Zentrum gegründet worden war, zogen die Sozialisten ins nationale Parlament in Den Haag ein. Dort bekämpfte Jan Marijnissen in den folgenden Jahren den rüden Sozialabbau der Regierungen Lubbers und Kok. Auch heute sieht er die Rolle der SP, die jetzt die liberale Regierungspartei VVD an Mandaten überholt hat, in der Opposition. „Hart, wo es nötig ist, versöhnlich, wo es möglich ist“, so Marijnissen auf seiner Internet-Homepage. „Aber immer entschlossen und kämpferisch.“ HENK RAIJER.