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CDU vor Linksruck bewahrt

betr.: „Hartz-IV-Empfänger oft nicht erreichbar“, taz vom 25. 11. 06

Es ist doch erstaunlich, was heutzutage alles Arbeit genannt wird. Hartz-IV-EmpfängerInnen hinterherzutelefonieren, beispielsweise, das nennen manche Leute in der Bundesagentur für Arbeit Arbeit.

Aus diesen Telefonaten eine Studie – klingt gut! – zu erstellen gilt auch als Arbeit, wahrscheinlich als gesamtgesellschaftlich wichtige. Immerhin handelt es sich ja um ein Pilotprojekt. Das Menschlein, das daraus eine Pressemitteilung, wie auch das, welches daraus eine Agenturmeldung gebastelt hat, hat selbstverständlich auch gearbeitet. Und es auf Seite 2 in der taz zu platzieren – auch das war Arbeit.

Die Einzigen, die in dem Spiel nicht gearbeitet haben, waren, wenn denn der Studie oder der Meldung oder beidem zu glauben ist, die Hartz-IV-EmpfängerInnen. Schlimmer noch: die standen, jedenfalls soweit sie telefonisch nicht erreichbar waren, noch nicht einmal dem Arbeitsmarkt zur Verfügung! Das gilt nämlich seit Neuestem auch als Arbeit. Und für Arbeit gilt telefonische Präsenzpflicht. Habt ihr verstanden, ihr Hartz-IV-telefonisch-nicht-Erreichbaren?!

Andererseits. Einfach nur mal so gesponnen, die wären alle telefonisch erreichbar gewesen, da wäre ja denen, die ihnen hinterhertelefonierten, womöglich glatt die Arbeit ausgegangen: Was machen Sie gerade? – Ich sitze an meiner 756. Bewerbung… bin bei einer Ausgabestelle für und von „Laib und Seele“ … bessere die Haushaltskasse durch Flaschensammeln auf (falsch! falsch! falsch!) … lese ehrenamtlich der Nachbarin die Stellenanzeigen vor … streiche in einer Selbsthilfeaktion die Schulklos … sitze vor der Amtsstube meiner Arbeitsvermittlerin … schreibe einen Beihilfeantrag für die Klassenfahrt meiner Tochter … ribble die Pullover vom vorletzten Jahr wieder auf … stehe gerade dem Arbeitsmarkt zur Verfügung … Dann wäre aber babbella mit Pilotprojekt und Studie und Pressemitteilung gewesen, stattdessen hätte sich das Prekariat ausgedehnt und unter den einschlägig bekannten Parteipappnasen machte sich Ratlosigkeit breit, alldieweil die nicht mehr wüssten, was sie denn als nächste Gesetzesnovelle für Harzt IV ff noch vorschlagen sollten.

So gesehen sollten wir den Hartz-IV-telefonisch-nicht-Erreichbaren dankbar sein. Sie haben den nationalen Konsens gerettet und die CDU vor einem weiteren Linksruck bewahrt. Ich schlage sie für ein Bundesverdienstkreuz vor. CHRISTINE RÖLKE-SOMMER, Berlin

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