Nicht nur auf’m Sofa surfen

VERGEMEINSCHAFTUNGSORTE Bremer Wissenschaftler erforschen die Einbettung neuer Medien und Kommunikationsformen in unseren Alltag

„Es geht um Orte, an denen wir etwas gemeinsam erleben, wobei wir uns vor allem für Orte interessieren, die etwas mit Medien zu tun haben“

Andreas Hepp, Uni Bremen

Was haben ein Minigolf-„Schwarzlichthof“, ein öffentlicher Tausch-Bücherschrank und die Einkaufsmeile Waterfront gemeinsam? Es sind „mediatisierte Vergemeinschaftungsorte“, jedenfalls für die Medienwissenschaftler der Bremer Universität. Sie bitten um Mithilfe bei der Suche nach solchen für sie spannenden Orten – sie wollen sich nicht nur auf Kinos beschränken und Kneipen, in denen Fußball übertragen wird.

Auf den ersten Blick erscheint es paradox: Die elektronischen Medien machen Kommunikation gerade unabhängig vom Ort, es ist egal, ob einE Chat-PartnerIn gerade in Büchern stöbert oder Klamotten anprobiert. Auch wenn die umfassende und ständige Erreichbarkeit im eigenen Alltagsleben das technische Kennzeichen der neuen Medien ist, so integrieren Menschen diese Möglichkeiten doch sehr unterschiedlich in ihren Alltag. Sie machen sich diese Medien also in unterschiedlicher Weise „zu eigen“.

Einzelne elektronische Dienste wie der Kurznachrichtendienst Twitter oder Endgeräte wie etwa Smartphones wirken dabei im Kontext anderer Kommunikationsformen und sind eingebettet in den ganz traditionellen körperlichen und analogen Austausch – das ist der Forschungsansatzes des Bremer Projektes „Kommunikative Figurationen mediatisierter Welten“. Für die Erforschung der Veränderungsprozesse sind daher Pausen füllende Orte wie Straßenbahnen, in denen Menschen ausschließlich elektronisch kommunizieren, weniger interessant als klassische „Vergemeinschaftungsorte“, an denen die elektronische Kommunikationsmöglichkeiten hinzukommt zum klassischen Gemeinschafts-Erleben, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter des Projekts, Matthias Berg.

Bestimmte Medien haben jeweils spezifische „Prägkräfte“ für die Kommunikation. In dem Forschungsprojekt geht es um die Frage, wie junge Menschen die neuen Medien für ihre kommunikative Vernetzung und letztlich für ihre „Vergemeinschaftung“ nutzen, also ihre Einbindung in ihre Cliquen und Bezugsgruppen. Denn letztlich wird Gemeinschaft über Kommunikation konstruiert.

Einfacher formuliert: „Es geht um Orte, an denen wir etwas gemeinsam erleben, wobei wir uns vor allem für Orte interessieren, die etwas mit Medien zu tun haben“, sagt der Leiter des Bremer Zentrums für Medien, Kommunikations und Informationsforschung, Andreas Hepp. Bis zum 31. August wollen seine Master-Studierenden eine Liste mit 100 dieser Orte zusammenstellen, die für die Vergemeinschaftung junger Menschen in Bremen besonders wichtig sind. Tipps werden unter orte@uni-bremen.de entgegen genommen!  kawe