DIE VORWÄRTSVERTEIDIGUNG DES EX-STASI-SPITZELS KÜLOW FUNKTIONIERT
: Ein bisschen Verständnis

Volker Külow, sächsischer Landtangsabgeordneter der Linkspartei, hat sich clever aus der Stasi-Affäre gezogen. Zugeben, erklären, mit allen und jedem reden, um Verzeihung bitten: Mit dieser Vorwärtsverteidigung hat er zumindest bei seinen Genossen erst einmal Rückendeckung erhalten. Klar, wer Anstand hat, spitzelt nicht. Aber dann kommen die großen „aber“: der Verweis auf die eigenen Überzeugungen und die Umstände der DDR-Zeit. Und schon hat Külow Aussicht auf etwas Verständnis.

Ein hierarchisches, umfangreiches Berichtswesen, von dem Külow berichtet, gab es nicht nur in der DDR. Nicht nur dort konnte man aus einer Machtposition heraus mit Personeneinschätzungen Menschen schützen oder ihnen schaden. Und dabei zeigt sich – damals wie heute – der Charakter. Zugleich kommen Gesinnung und Überzeugung ins Spiel. Wer wie Külow ein Erzkommunist war und ist, der glaubt an den rechtmäßigen Einsatz aller Mittel für den guten Zweck. Auch das ist für die Bürger auch heute wieder Realität. Sicherheitsfanatiker heben die Freiheit auf, indem sich in deren Namen Rechte einschränken. Vergleiche, die gerade in Ostdeutschland gern gezogen werden, relativieren plötzlich die Schweinereien aus DDR-Zeiten. Deshalb kann das Vabanquespiel schonungsloser Offenbarung zumindest bei der linken Wählerklientel durchaus erfolgreich sein.

Dagegen kann man schlechterdings auch nichts einwenden, wenn man selbst Klarheit und Aufarbeitung fordert. Schließlich wäre ein Schlussstrich ein falsches Zeichen. Denn er kann bestenfalls juristisch gezogen werden – nicht historisch und schon gar nicht moralisch. Gleichzeitig ist aber auch nicht einzusehen, warum das Stasi-Unterlagen-Gesetz eine Selbstoffenbarung früherer Stasi-Zuträger massiv behindert. Külow etwa bekam seine Akte nicht, als er sie vor der Landtagswahl 2004 veröffentlichen wollte. Die Thüringer Landtagsabgeordnete Ina Leukefeld wurde sogar angezeigt, als sie vor der Oberbürgermeister-Kandidatur in Suhl öffentlich aus ihrer Akte las. Dieser Widerspruch ließe sich auch unter Wahrung der Schutzrechte Betroffener ausräumen. MICHAEL BARTSCH