Politischer Horizont

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Am liebsten hätten die Israelis den für kommenden Montag anberaumten Dreiergipfel abgeblasen. Doch die US-amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice bleibt ihrer Entscheidung treu, eine Wiederbelebung des internationalen Friedensplans „Roadmap“ wenigstens zu versuchen. Und das, obwohl die Ergebnisse der innerpalästinensischen Einigung zwischen Hamas und Fatah in Mekka das Weiße Haus so wenig wie Israel beglücken: weil sie die Forderungen auf Gewaltverzicht und Anerkennung Israels unbeantwortet lassen. „Die Vorstellung, dass es die Anerkennung Israels ist, die uns die Palästinenser derzeit beschäftigt, trügt“, sagte Hamas-Sprecher Ghazi Hamad diese Woche. Die Palästinenser ringen unverändert um eine Einigung über die Zusammensetzung des künftigen Kabinetts. Immerhin löste der palästinensische Premierminister Ismael Hanijeh die Regierung diese Woche auf. Ihm bleiben nun fünf Wochen, um die neuen Minister zu benennen.

Zu einer ersten Zerreißprobe kam es diese Woche, als Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zwei von der Hamas vorgeschlagene unabhängige Kandidaten für den Posten des Innenministers ablehnte. Unklar sind noch immer die Kompetenzen des künftigen Ministers, der in vorletzter Instanz vor dem Präsidenten die Kontrolle über die Sicherheitsdienste hat.

Die Hamas beharrt auf Garantien vonseiten des Präsidenten, dass die im ersten Regierungsjahr getroffenen Entscheidungen Gültigkeit behalten. Dazu gehört das Fortbestehen der mehrere tausend Männer umfassenden Hamas-Sondertruppen. Abbas hingegen befürwortet die Eingliederung der Männer in die Reihen der Sicherheitskräfte, die bis heute unter dem Befehl von Fatah-nahen Kommandanten stehen.

Der frühere Chef des „Präventiven Sicherheitsdienstes“ im Gaza-Streifen, Mohammed Dahlan, ist der bevorzugte Kandidat von Abbas für das Amt des Vizepremiers. Dahlan gilt als der inoffizielle Chef der Sicherheitsdienste und wurde bei den innerpalästinensischen Kämpfen zum roten Tuch für die Hamas. Mit ihm im Kabinett ist die erste Krise programmiert.

„Wir werden bald eine Regierung haben, es fragt sich nur, wie lange die halten wird“, sagte der Abbas-Vertraute und Exminister Sufian Abu Saida. Abbas, Hanijeh und der im Exil lebende Hamas-Politbürochef Chaled Meschal hätten während des Gipfels in Mekka in der vergangenen Wochen unter „unvorstellbarem Erfolgszwang“ für eine Einigung gestanden und deshalb, „viele Punkte offengelassen“. Für das Gelingen der Kooperation von Hamas und Fatah entscheidend ist das Verhalten der internationalen Staatengemeinde. Nichts würde die beiden palästinensischen Fraktionen im Bruderzwist kompromisswilliger machen als die Aufhebung des internationalen Boykotts.

Nicht die Hamas habe sich der Fatah angenähert, sondern umgekehrt, meinte der israelische Oppositionsführer Benjamin Netanjahu (Likud). Er appellierte an die Regierung, nun auch die Kontakte zum Palästinenserpräsidenten einzustellen – was Premier Olmert jedoch vorerst ablehnt. Ob der Boykott der künftigen palästinensischen Einheitsregierung fortgesetzt wird, wird Israel vermutlich erst nach Beratungen mit dem Weißen Haus entscheiden.

Während Abbas nach vorne drängt und so bald wie möglich die heißen Eisen „Jerusalem, Flüchtlinge und Grenzverlauf“ regeln will, reden die Israelis noch immer von einem Stufenplan und der Gründung eines Palästinenserstaats in temporären Grenzen. Davon wiederum wollen die Palästinenser nichts hören. In Jerusalem ist sehr allgemein von einem „politischen Horizont“ die Rede, den der bevorstehende Gipfel öffnen soll. Gemeint ist damit auch die Freilassung des seit Juni im Gaza-Streifen festgehaltenen israelischen Soldaten Gilad Schalit.