Papst-Besuch mit Restrisiko
: KOMMENTAR VON JÜRGEN GOTTSCHLICH

Muss der Papst ausgerechnet jetzt die Türkei besuchen? Wir haben doch so schon genug Ärger. So oder so ähnlich dürften die meisten türkischen Politiker über den bevorstehenden Besuch des katholischen Oberhirten in ihrem Land denken. Und dabei inbrünstig hoffen, dass Joseph Ratzinger unbeschadet am Freitag wieder gen Rom entschwindet. Ohne dass weiteres Porzellan im christlich-islamischen Verhältnis zerschlagen wird.

Nur eine Woche bevor die EU-Kommission darüber entscheiden will, ob sie dem anstehenden EU-Gipfel ein Aussetzen der Beitrittsgespräche mit der Türkei vorschlagen soll, stellt der Papstbesuch ein weiteres, schwer zu kalkulierendes Risiko für die türkisch-europäischen Beziehungen dar. Einerseits hat Benedikt XVI. sich mit seiner gezielten antiislamischen Provokation in Regensburg und seiner noch als Kardinal lauthals vertretenen Position, die Türkei habe keinen Platz im abendländisch-christlichen Europa, am Bosporus wenig Freunde gemacht. Andererseits wird der Papstbesuch in weiten Kreisen der EU nun als so etwas wie ein neuerlicher Testlauf für eine mögliche Mitgliedschaft gesehen: Unser Papst reist in die Türkei. Wehe, er wird dort nicht mit der gebührenden Begeisterung empfangen.

Die türkische Regierung versucht gute Miene zum blöden Spiel zu machen. Trotz allem Ärger, den man wegen Ratzinger empfindet, betont sie, Gäste würden in der Türkei prinzipiell immer gut behandelt. Nur: Das kann schwerlich darüber hinwegtäuschen, dass dieser Papst von vielen Türken als arrogante Heimsuchung angesehen wird, auf die man gerne verzichten würde. Statt jubelnde Massen wird Benedikt XVI. deshalb vor allem Polizeikolonnen zu Gesicht bekommen. Die sollen verhindern, dass irgendein fanatischer Islamist oder durchgedrehter Nationalist ihm zu nahe kommen kann und womöglich eine Katastrophe verursacht.

Nachdem nun Ministerpräsident Erdogan doch noch eingewilligt hat, den Papst persönlich zu empfangen, ist aus türkischer Sicht alles getan, um dem schwierigen Gast seine Reise so angenehm wie möglich zu machen. Gegen das Restrisiko hilft nur beten.

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