Platz da!

NAHVERKEHR Mit dem Zollstock gemessen: Studie zeigt, dass für Autos in Berlin 19-mal so viel Platz freigehalten wird wie für Fahrräder. Dabei werden Autos gar nicht so oft bewegt

■ Im Jahr 2013 hat der Senat 3,5 Millionen Euro für neue Radwege ausgegeben, in diesem Jahr und im nächsten Jahr kommen weitere Radwege für jeweils 4 Millionen Euro dazu. Zusätzlich werden bestehende Radwege mit 2 Millionen Euro pro Jahr saniert und Call-A-Bike mit 1 Million Euro gefördert.

■ Derzeit werden in Berlin täglich 1,5 Millionen Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt. Ziel des Senats ist, durch die zusätzlichen Radwege diesen Wert bis 2015 um 600.000 bis 900.000 zu steigern.

■ Auch für längere Wege soll Radfahren attraktiver werden, sodass sich die durchschnittlich mit dem Rad zurückgelegte Entfernung bis 2025 von 3,7 Kilometer auf 4,6 Kilometer steigen soll. Durch mehr Fahrradständer an den Haltestellen von Bahnen und Bussen sollen in Zukunft rund doppelt so viele Menschen vom Rad in den ÖPNV umsteigen wie bisher. Die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Radfahrer soll bis 2025 um 40 Prozent, die der Verletzten um 30 Prozent sinken. (hei)

VON SEBASTIAN HEISER

Nur 3 Prozent der Fläche für den Verkehr ist in Berlin für Radfahrer reserviert, 58 Prozent für Autos und Busse sowie 33 Prozent für Fußgänger. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Agentur für clevere Städte, eines Unternehmens, das sein Geld mit Mobilitätsdienstleistungen verdient und etwa eine App zum Anschwärzen von Falschparkern entwickelt hat. Für die Untersuchung wurden 187 Straßen in sieben Bezirken mit dem Zollstock vermessen und die Ergebnisse auf ganz Berlin hochgerechnet.

„Ungerecht ist, dass für Radfahrer nur 3 Prozent der Straßenflächen vorgesehen sind, obwohl sie längst 15 Prozent aller Wege zurücklegen“, findet Heinrich Strößenreuther, der die Agentur vor einem Jahr gegründet hat. „Für Autofahrer sind dagegen 19-mal mehr Flächen reserviert, obwohl die Bedeutung des Autos zunehmend schwindet.“

Das größte Potenzial, um für die Radfahrer mehr Fläche freizubekommen, sieht Strößenreuther bei parkenden Autos. In der Untersuchung heißt es: „Im Winter 2010 konnte zudem nachgewiesen werden, dass ein Drittel der Autos sich über Wochen gar nicht mehr vom Fleck bewegte. Nach dem starken Schneefall Anfang Dezember – mehr als 20 cm innerhalb von 24 Stunden – hatten sie kurz vor Weihnachten immer noch 15 cm Schnee auf dem Dach. In der sogenannten Schlechtwetterjahreszeit, in der eine Fortbewegung angeblich ohne Auto nicht möglich sei, stehen also mehr als 30 Prozent der Pkws unbewegt auf der Straße.“ Und das heißt: Wenn Leute, die nur alle paar Wochen ein Auto brauchen, ein Carsharing-Fahrzeug statt eines eigenen Wagens benutzen, wird auf einen Schlag ein Drittel der Abstellfläche frei.

Ein Fahrrad braucht zum Parken nur ein Zehntel der Fläche, die ein Auto benötigt

Die Forderungen in der Studie: „Wer Klimaschutz ernsthaft will, muss die Umwidmung von Verkehrsflächen vorantreiben. Wer das nicht tut, nimmt die Klimaveränderungen nicht ernst oder kapituliert vor der gut organisierten Lobby der Autofahrer.“ Deshalb sollte in jeder Straße, bei der die Autos in zwei Spuren je Richtung fahren, eine Spur in einen Radstreifen umgewidmet werden. Auch auf Gehwegen über drei Metern Breite sollte ein Radweg eingerichtet werden. Wenn eine Straße auf beiden Seiten Parkflächen hat, sollte die Hälfte zugunsten eines Radwegs entfallen. Laut der Studie ist es somit in 95 Prozent der Straßen möglich, einen Radweg einzurichten. Und für die verbleibenden Autos sollte in der gesamten Stadt das Parken kostenpflichtig werden, wobei das „Preisniveau mindestens den Ticketpreisen des öffentlichen Nahverkehrs“ entsprechen soll.

Ein Fahrrad braucht zum Parken nur ein Zehntel der Fläche, die ein Auto benötigt. „Zudem hat ein Fahrrad den Vorteil, dass man sowohl über es hinweg- als durch es hindurchschauen kann, es ist also weit weniger sichtbehindernd als ein Auto, insbesondere mit dunkel getönten Scheiben“, heißt es in der Studie. Deshalb sollten auch mehr Fahrradständer aufgestellt werden, insbesondere an Haltestellen von Bussen und Bahnen.

Die Studie im Internet: www.clevere-staedte.de