Roland Koch schmeißt wieder hin

KARRIERE Einstiger Ministerpräsident Hessens geht nach drei Jahren an der Spitze des Baukonzerns Bilfinger überraschend. Der Konservative hatte das Unternehmen umgekrempelt – und war dabei wenig zimperlich vorgegangen

BERLIN taz | „Ja zur Integration – nein zur doppelten Staatsbürgerschaft“. Mit diesem Slogan gewann er 1999 die Landtagswahl in Hessen. Obwohl Roland Koch für seine von vielen als ausländerfeindlich empfundene Kampagne heftig attackiert wurde, gewann er die Wahl. Und blieb elf Jahre lang Regierungschef in Hessen – trotz schwarzer Konten seines Landesverbands.

Nun schmeißt der 56-Jährige zum zweiten Mal binnen vier Jahren völlig überraschend hin. Im Mai 2010 trat Koch ohne Vorwarnung als Regierungschef in Wiesbaden zurück – vielleicht, weil es dann doch nie zum Kanzlerkandidat der Union gereicht hatte. Am Montagabend erklärte er kurz nach Börsenschluss, nach nur drei Jahren im Amt von seinem Posten als Vorstandschef beim Mannheimer Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger zurücktreten zu wollen.

Nach der zweiten Gewinnwarnung innerhalb weniger Wochen war es für den Umbauer und Polarisierer Koch offenbar zu eng an der Spitze des Konzerns mit weltweit 74.000 Mitarbeitern geworden. Er und der Aufsichtsrat stimmten bei „notwendigen Schritten des Konzerns nicht ausreichend“ überein, hieß es. Bilfinger war nicht in die Miesen gerutscht, aber der Vorstand rechnete in diesem Jahr nicht mehr mit so viel Gewinn wie zuvor angenommen: nur noch mit 205 bis 220 Millionen Euro, 25 Millionen Euro weniger als gedacht. Auch der Jahresumsatz von Bilfinger sollte mit 7,8 Milliarden Euro um 100 Millionen Euro niedriger ausfallen als vor einem Monat angekündigt.

In der Politik hatte Koch gern mit harten Bandagen gekämpft, als Firmenchef auch. Er traf harte Entscheidungen wie etwa den Abbau von rund 1.500 Stellen. Nebenbei versuchte er, Bilfinger komplett umzukrempeln: Aus dem einstigen Namen Bilfinger Berger strich er den Zusatz im Herbst 2012 weg, auch die Ausrichtung weg vom Bau hin zum Dienstleistungsgeschäft – also Entwurf und Wartung von Kraftwerken und Industrieanlagen – trieb er voran.

Das erntete offenbar nicht nur Beifall. Der frühere Vorstandschef Herbert Bodner soll nun vorübergehend vom Aufsichtsrat zurück an die Spitze des Vorstands wechseln – das spricht sehr für eine Hauruck-Aktion der Aufseher. Aufsichtsratschef Bernhard Walter erklärte es am Dienstag in Frankfurt so: Interne Ziele, die der Vorstand mit dem Aufsichtsrat vereinbart habe, seien „wiederholt verfehlt“ worden.

Übrigens: Kochs Scheitern bestätigt keine Regel, nach der Politiker keine Wirtschaft „können“. Lothar Späth, lange Ministerpräsident von Baden-Württemberg, galt zwölf Jahre lang als erfolgreicher Jenoptik-Chef, Altkanzler Gerhard Schröder als mächtiger Gazprom-Strippenzieher. Wie Ex-BND-Boss Ernst Uhrlau bei der Deutschen Bank oder der ehemalige Wirtschaftsminister Michael Glos beim Baustoffhersteller Knauf performen, ist unbekannt. Genauso, wie der einstige Kanzleramtschef Ronald Pofalla sich als Bahn-Lobbyist gerieren wird. KAI SCHÖNEBERG