Patente wichtiger als Patienten

Die WTO wollte Entwicklungsländern Zugang zu billigeren Medikamenten verschaffen. Fünf Jahre später zieht Oxfam nun eine äußerst negative Bilanz

BERLIN taz ■ Vor fünf Jahren sollten die Entwicklungsländer Zugang zu preiswerten Medikamenten erhalten. Eine entsprechende Erklärung wurde 2001 in der Welthandelsorganisation (WTO) verabschiedet und als Durchbruch gefeiert: Kein Land sollte künftig durch Patentrechte am Schutz der öffentlichen Gesundheit gehindert werden. Doch fünf Jahre später zieht die Entwicklungsorganisation Oxfam eine negative Bilanz: „Die reichen Länder haben ihr Versprechen nicht eingehalten. Insbesondere die USA machen sich schuldig, auf Drängen der Pharmaindustrie immer strengeren Patentschutz in Entwicklungsländern durchzusetzen.“

Dies geschieht vor allem durch äußerst restriktive bilaterale Handelsabkommen – oder sogar durch die direkte Drohung mit Handelssanktionen. Ärmere Länder wie Kambodscha und Nepal sollten auf die ihnen zustehenden langen Übergangsfristen beim Patentschutz verzichten. Nur dann würden die USA ihrer Aufnahme in die WTO zustimmen. Auch die EU kommt in der Kritik von Oxfam nicht gut weg. Sie würde tatenlos zusehen, wie die europäische Industrie stillschweigend vom strengeren Schutz ihrer Patente profitiert.

Das WTO-Abkommen über geistige Eigentumsrechte (Trips) zwingt zwar im Prinzip alle Mitgliedsländer zur Anerkennung ausländischer Patente. Aber es räumt den ärmeren Ländern zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Gesundheit eben auch die Möglichkeit ein, billige Nachahmerprodukte zu nutzen, so genannte Generika. Mit denen können sich seit 2003 – so eine weitere Ausnahmeklausel – auch ärmere Länder ohne eigene Pharmaproduktion bei Drittländern wie Brasilien oder Indien mit Generika in ausreichender Menge eindecken.

Die WTO habe damit „ein für alle Mal unter Beweis gestellt, dass sie humanitäre genauso wie Handelsfragen lösen kann“, lobte ihr damaliger Generaldirektor Supachai Panitchpakdi. Allerdings sind die Bedingungen so restriktiv, dass die Klausel bislang nicht ein einziges Mal angewandt wurde. Eine Teilschuld daran gibt ein WTO-Sprecher Mitgliedsstaaten, die ihre Gesetze nicht entsprechend geändert hätten. Doch immerhin hat die EU das vor kurzem getan, so dass dem Export von Generika in Entwicklungsländer eigentlich nichts mehr im Wege steht.

Bei der WTO weist man zusätzlich darauf hin, dass die Ausnahmeklauseln trotz allem einen positiven Effekt hätten. Die Entwicklungsländer müssten für patentierte Medikamente deutlich reduzierte Preise zahlen. Brasilien etwa habe Aids-Medikamente deutlich billiger bekommen, nachdem die Regierung den Pharmakonzernen drohte, sonst die Trips-Ausnahmeregel zu nutzen und die Patente zu durchbrechen. Nach WTO-Angaben sind mehrere Pharmakonzerne deswegen auch kompromissbereit gewesen, als die Clinton-Stiftung mit ihnen Preisnachlässe für Entwicklungsländer aushandelte.

Dennoch richten sich die Oxfam-Vorwürfe auch direkt gegen die Pharmaindustrie. Diese setze die Entwicklungsländer juristisch unter Druck, damit sie die zugelassenen Ausnahmen nicht nutzen. Viele Länder wagten es daher nicht mehr, diese Klauseln überhaupt in Anspruch zu nehmen: Die malaysische Regierung erteilt daher inzwischen gar keine Genehmigungen mehr, um Generika zur Aids-Behandlung zu produzieren.

Als konkretes Beispiel nennt Oxfam den US-Konzern Pfizer. Der habe die philippinische Regierung am Import von nachgemachten Versionen eines Bluthochdruckmittels hindern wollen. Pfizer hält dagegen, man habe den Philippinen das Mittel ohnehin zum halben Preis überlassen und damit billiger als das generische Produkt.

MARIA PFEIFFER